Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht
als dieser sagte: „Ich komme wegen der alten Gräfin, die ein halbes Kilo Opium verschluckt hat.“
„ Welche bitte Gräfin sein, verehrte Herren?“
„ Die Gräfin von Hohenfels-Schlüchtern, verehrter Herr.“
„ Howenefelse Sülüchterne?“
„ Ja“, nickte Holmes.
„ Ich bitte nicht wissen nichts, verehrte Herren.“
„ Und Egon? Kennen Sie Egon?“
„ Egon?“ Jetzt ging ein weiteres Lächeln über das lächelnde Gesicht, und zwar in der Art, wie es an einem bewölkten Tag gehen kann, an dem es hell ist, und dann bricht die Sonne durch die Wolken und man weiß erst, was richtig hell ist, und der alte Chinese sagte: „Egon? Ja, ich kennen Egon, ja.“
„ Und seine Herrin, die alte Dame, ist die Gräfin Hohenfels-Schlüchtern.“
„ Ah ja, bitte ja.“
„ Waren die beiden gestern hier?“
Der Chinese verbeugte sich.
„ Und haben ein Pfeifchen geraucht?“
Der Chinese verbeugte sich wieder.
„ Und dann haben sie noch ein bisschen Opium mitgenommen?“
„ Ja nein ich nicht wissen ja“, sagte der Chinese, aber vielleicht hatte ihn Holmes auch falsch verstanden.
„ Ja?“
„ Ja nein ja.“
„ Vielleicht?“
„ Ja.“
„ Wer weiß das genau?“
„ Meine Sohn aber nicht hier.“
In diesem Augenblick betrat ein gut gewachsener junger Mann den Raum und sagte, den Blick auf Holmes geheftet: „Wer sind Sie?“
„ Mein Name ist Voodoo Holmes. Ich stelle Nachforschungen an bezüglich der Gräfin Hohenfels-Schlüchtern.“
Der junge Mann war nahe herangekommen. „Was ist mit ihr?“
„ Sie ist tot. Offensichtlich eine Überdosis Opium.“
„ Wie viel?“
„ Fünfhundert Gramm, heißt es.“
„ Unmöglich.“
„ Sie meinen, so viel kann man bei Ihnen nicht kaufen?“
„ Nein. Das ist unmöglich. Wir haben nicht einmal so viel im Haus.“
„ Sie müssen keine Angst haben“, sagte Voodoo, „ich bin kein Spitzel oder Journalist oder Polizist, sondern einfach ein Träumender.“
„ Das ist gut“, meinte der junge Chinese, „aber ich sage Ihnen die Wahrheit. Wie sagt schon Taisen Deshimaru: Der Gewinn, der Verlust, das Wahre, das Falsche – ich bitte euch, lasst davon ab.“
„ Das ist schön, dass Sie nicht lügen“, meinte Holmes. „Ich habe eine andere Frage: Was würden Sie dazu sagen, wenn jemand ein halbes Kilo Opium einfach schluckt. Darf man das?“
„ Es wäre eine Verschwendung, denn es wird Ihnen übel dabei und Sie müssen erbrechen. Ich wünsche Ihnen das nicht“, sagte der junge Chinese.
Holmes verbeugte sich und der andere verbeugte sich ebenfalls und dann drehte sich Holmes um und verließ den Laden mit dem Gedanken daran, dass er sich auf eben diese Art von Mrs. Jones verabschiedet hatte. Auf der Straße herrschte reges Leben und es war hell hier und lärmte und Holmes konnte sich kaum vorstellen, dass es gestern ruhig gewesen sein musste, als die Gräfin hier mit dem Opium im Bauch in die Kutsche gestiegen war, um in die Baker Street zu fahren. Hatte es Zeugen gegeben? Was aber konnte banaler sein als eine Kutsche, die von dem China-Restaurant weg fuhr, selbst wenn das mitten in der Nacht war?
Die noch wichtigere Frage war ja, warum die Gräfin den Umweg über die Baker Street gemacht hatte. Dass sie die Nebengassen vermieden hatte und hinaus auf die Shaftsbury Avenue gefahren war, um dann zum Piccadilly Circus zu lenken, leuchtete ein. Von dort aber wäre sie geradewegs über den Green Park in einer knappen halben Stunde beim Buckingham Palace gewesen. So aber hatte sie einen bedeutsamen Umweg von drei, vier Kilometern unternommen, um in der Baker Street vorbeizukommen. Was konnte sie auf dem Weg gesucht haben?
Holmes versuchte sich das Bild des Kopflosen wieder in das Gedächtnis zu rufen, das er durch die Scheiben der Kutsche erblickt hatte. Es war ein alter, abgeschabter Mantel, und Handschuhe, aber darüber hinaus wusste man nicht einmal, ob sich in der Kutsche eine Gestalt befunden hatte. Dort aber, wo normalerweise bei einem Passagier ein Kopf zu sehen gewesen wäre, war eine Höhle gewesen.
Holmes drehte sich um und lief, winkte dann einer Droschke und ließ sich erneut zum Scotland Yard fahren. Auf der Höhe des Strand klopfte er dann an das Dach, denn er sah auf der Straße den Diener Egon marschieren, der offenbar frei gelassen worden war und gerade den Weg in die Innenstadt nahm. Zum Buckingham Palace wäre es eigentlich über den St. James Park näher gewesen. Doch Egon dachte offensichtlich gar nicht daran, zu seiner
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