Voodoo Holmes Stories
der Augen. Es war ein hübsches, aber verkniffenes Gesicht. Unwillkürlich blickte ich auf ihre Hände. Aber es waren eigentlich ziemlich unauffällige Hände, denen man aber anmerkte, dass sie Arbeit gewohnt waren.
Während Maddox erste Erklärungen abgab, schwieg sie einfach, und als er ihre erste Aussage vorlas und um Bestätigung einzelner Punkte bat, sagte sie erst gar nichts, und dann: „Es ist so, wie ich es gesagt habe.“
Währenddessen fiel mir wieder Duft ihres Körpers auf, etwas Animalisches wie der Geruch, der auf Kampfstätten übrig bleibt, wo sich die Körperausscheidungen von Siegern und Verlieren untrennbar miteinander verbinden. Es war dies eine Situationen wie damals, als ich bei der Gegenüberstellung hinter ihr gestanden hatte, und die Erinnerung daran war in mir eingegraben. Da merkte ich, dass etwas in mir aufstieg, und ich dachte unwillkürlich: Jetzt geht es ums Ganze.
„Miss Huntington“, begann ich in einem nüchternen Tonfall, „Sie haben bis jetzt geloben. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Sie haben einiges zu verbergen, nicht wahr?“
Sie betrachtete mich schweigend, und mit Blicken, die mich maßen. Es war offensichtlich, dass sie sich als stärker empfand als ich es war.
„Es muss Ihnen selbst rätselhaft erscheinen, aber letztendlich ist es nur natürlich, dass man versuchte, Konten auszugleichen“, fuhr ich fort. „So gesehen ist es nur natürlich, dass Sie in jener Nacht auf den 19. Januar dieses Jahres ein Leben nahmen, denn auch Ihnen ist das Leben in gewisser Weise ja genommen worden. Sind Sie dabei schuldig geworden? Das kann keiner wirklich sagen. Vielleicht sollte man den Begriff der Schuld überhaupt aus unserem Vokabular streichen. Es gibt Menschen, die ihre Konten regeln, und andere, die kümmern sich nicht darum. Verstehen Sie, was ich meine?“
Sie schüttelte den Kopf. Ich hob die Akte hoch, die ich vor mir auf dem Tisch liegen hatte. Sie war vor der Befragung im Archiv ausgehoben worden und war das Strafregister Miss Huntingtons, das sie in einer Kleinstadt im Devon begonnen und in London fortgesetzt hatte. Es begann mit Diebstahl, und setzte sich mit Raub fort, den sie mit Komplizen ausübte. Sie war mehrmals von Zuhause fortgelaufen, hatte vierzehn Monate in einer Erziehungsanstalt zugebracht. „Und da ist noch die Sache mit ihrem Schwiegervater“, sagte ich beiläufig. „Eine schreckliche Kreatur. Säufer, Prügler. Interessant an diesem Mann ist eigentlich nur, dass er eines Tages von Ihnen in der Euston Station vom Bahnsteig gestoßen wurde, vor einen einfahrenden Zug fiel und dabei zermalmt wurde.“
„Es war ein Unfall“, sagte sie. „Er war betrunken. Er wollte, dass ich nach Hause komme und hat an mir herumgezerrt. Ich wolle ihn zuletzt eigentlich nur festhalten.“
„Tatsächlich war es so“, stimmte ich zu. „Und der Tag scheint Ihnen geholfen zu haben. Sie verwandelten sich vollständig, halfen in einer Küche bei der Armenspeisung aus, waren in der Pflege tätig, beschlossen schließlich, Krankenschwester zu werden.“
„Wir waren alle einmal in einem gefährlichen Alter“, sagte sie.
„Und manche haben es noch vor sich, das ist umso schlimmer“, stimmte ich zu. „Und jetzt erzählen Sie uns von der Nacht auf den 19. Januar.“
Ein längeres Schweigen entstand.
„Miss Keen und Sie waren befreundet. Aber ich glaube, das trifft es nicht ganz“, fuhr ich fort, „Sie waren mehr als befreundet. Sie teilten Tisch und Bett. Sie waren Bettgenossinnen. Beziehungen dieser Art folgen einer Grundregel. Einer ist der Liebende, der andere der Geliebte. Nachdem Miss Keen der Engel von St. Mary’s genannt wurde, nehme ich an, dass Ihre Liebe für sie als Bewunderung begann. Dann folgte Verehrung, und schließlich, die engen Wohnverhältnisse erklären das, räumliche Intimität ist das Schmiermittel für seelische Nähe, etwas Undefinierbares. Sie verbrachten die letzten Wochen im Leben Ihrer Freundin damit, dieses Undefinierbares in klare Verhältnisse zu verwandeln. Miss Keen dachte anders. Sie war drauf und dran, zu ihrem Freund zu ziehen, einen Mann, den sie im Buchladen kennen gelernt hatte, Mr. Brekker. Diese Bekanntschaft musste sie vor Ihnen verbergen. In Bezug auf ihn haben sie nicht gelogen, oder zumindest nicht sehr. Denn natürlich waren Sie es, die ihm irgendwie die Perlenkette in die Wohnung legte, um ihn zu belasten. Das wird ihn zur Flucht gezwungen haben, denn er war tatsächlich unschuldig, kannte aber die
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