Voodoo
Bulls-Fans?«, fragte Max die beiden und sah Caspar an in der Hoffnung, damit das Eis zu brechen.
Stille. Mathilde stupste ihren Gatten mit dem Ellbogen an.
»Wir haben eine Weile in Chicago gelebt«, sagte er, ohne Max in die Augen zu sehen.
»Wie lang ist das her?«
Keine Antwort.
»Sieben Jahre. Wir sind zurückgekommen, nachdem Baby Doc gestürzt war«, sagte Mathilde.
»Wir hätten bleiben sollen, wo wir waren«, fügte ihr Mann hinzu. »Wir sind hergekommen, weil wir etwas Gutes tun wollten, aber es ist uns nur schlecht ergangen.«
Er sagte noch mehr, aber Max verstand es nicht. Er hatte eine heisere Stimme, die mehr für sich behielt, als sie mitteilte.
Mathilde sah Max an und verdrehte die Augen. So ist er die ganze Zeit , sagte dieser Blick. Woraus Max folgerte, dass Claudettes Verschwinden ihn am härtesten getroffen hatte.
Er entdeckte ein Bild von Vater und Tochter, auf dem beide lachten. Caspar sah deutlich jünger aus, sein Haar war dunkler und voller. Dabei konnte das Bild nicht sehr alt sein. Claudette sah genauso aus wie auf dem Foto, das ihr Onkel ihm gegeben hatte.
»Was ist sonst noch passiert?«
» Abgesehen von unserer Tochter?«, sagte Caspar verbittert, und zum ersten Mal sah er Max mit kleinen, blutunterlaufenen Augen gerade ins Gesicht. »Was ist alles nicht passiert? Dieses Land ist verflucht. Ganz einfach. Ist Ihnen noch nie aufgefallen, dass hier nichts wächst, keine Pflanze, kein Baum?«
»Es ist nicht so gut gelaufen hier für uns«, schaltete sich Mathilde ein. »In Chicago waren wir bei der Feuerwehr, dann hatte Caspar einen Unfall und hat Geld von der Versicherung gekriegt. Wir hatten schon länger darüber geredet, unsere Zelte in Amerika abzubrechen und wieder hierher zu ziehen, und als wir dann die Möglichkeit hatten, dachten wir, wir tun’s einfach.«
»Warum waren Sie aus Haiti weggegangen?«
» Wir sind nicht weggegangen – unsere Eltern sind damals ausgewandert, Anfang der Sechziger, wegen Papa Doc. Ein paar Freunde meines Vater hatten Verbindungen zu Dissidentengruppen in Miami und New York. Die hatten versucht, einen Putsch zu organisieren, der aber gescheitert ist. Papa Doc hat daraufhin nicht nur die Beteiligten festnehmen lassen, sondern auch ihre Familien und Freunde und deren Freunde und Familien. Um auf Nummer Sicher zu gehen. Das hat er immer so gemacht. Unsere Eltern waren überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Macoutes auch zu uns kämen, deshalb haben wir das Land verlassen.«
»Warum wollten Sie zurückkommen?«, fragte Max. »Chicago ist keine schlechte Stadt.«
»Das frag ich mich auch die ganze Zeit, ich könnte mich in den Arsch treten«, grummelte Caspar.
Max lachte, mehr zur Ermutigung denn aus Amüsement. Caspar sah ihn an, als hätte er ihn durchschaut und würde auf einen so billigen Trick ohnehin nicht reinfallen. Nichts konnte ihn aus seiner Trauer reißen.
»Ich schätze, wir sind beide mit einem Gefühl des Verlusts aufgewachsen, wegen allem, was wir zurückgelassen hatten«, erklärte Mathilde. »Haiti war für uns immer ›Zuhause‹. Wir hatten so viele wirklich schöne Erinnerungen an das alte Haiti, das trotz der Diktatur ein wunderbares Land war. Vor allem die Menschen. Es gab so viel Liebe hier. Vor unserer Hochzeit haben wir uns geschworen, eines Tages zurückzukehren und wieder hier zu leben … wir haben uns geschworen, wieder ›nach Hause‹ zu gehen.
Mit einem Teil des Geldes von der Versicherung haben wir uns in einen Laden gegenüber einer Tankstelle eingekauft, wo die Armen billig Nahrungsmittel und den Grundbedarf des täglichen Lebens kaufen konnten. Aber den Leuten hat es nicht gepasst, dass wir einfach herkommen, ein Geschäft aufmachen und Geld verdienen. Es gibt ein Wort hier für Leute wie uns, sie nennen uns ›Diaspora‹. Früher war das mal ein Schimpfwort, es sollte bedeuten, dass wir uns aus dem Staub gemacht haben und erst zurückgekommen sind, als die Lage wieder besser war. Heutzutage bedeutet es nicht mehr viel, aber damals …«
»Damals haben wir das andauernd zu hören gekriegt«, schaltete sich Caspar ein. »Nicht von den normalen Leuten, die waren immer nett zu uns, das sind freundliche Menschen hier, die meisten. Wir haben uns mit allen gut verstanden. Wir haben das Geschäft so geführt, wie das die Koreaner in den Schwarzenvierteln in Chicago machen: Wir haben Einheimische angestellt und sie immer gut behandelt, wir sind jedem mit Respekt begegnet. Wir hatten überhaupt
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