Voodoo
alles aus ihnen raus. Tun Sie, was nötig ist, um sie zum Reden zu bringen.«
49
Um kurz nach drei Uhr morgens wurde Max von Pauls Männern abgeholt und zum Haus von Codada und Krolak gefahren. Das Paar wurde in zwei getrennten Kellerräumen festgehalten.
Max schaute zu den beiden hinein, bevor er sich daran machte, das Haus zu durchsuchen.
Er durchquerte die rot-schwarz geflieste Eingangshalle, die in einen offenen Wohnbereich führte. Er war mit einem riesigen Fernseher, einem Videorekorder, einem Sofa, mehreren Sesseln und ein paar Topfpflanzen ausgestattet.
An der rechten Wand eine gut bestückte Bar mit gepolsterten Barhockern. Max ging hinter die Theke und öffnete die Kasse. Jede Menge Banknoten und Münzen. Gourdes mit den Konterfeis von Papa und Baby Doc. Unter der Theke fand er eine geladene 38er und einen kleinen Stapel CDs mit haitianischer und südamerikanischer Musik. An der Wand neben der Theke hing die haitianische Flagge aus der Ära Papa Doc, Schwarz und Rot anstelle von Blau und Rot. Passend zu den Fliesen im Eingangsbereich.
Auch im ersten Stock wurde das Duvalier-Thema fortgeführt. In den Fluren Dutzende von Schwarzweißfotos: ein jüngerer Papa Doc im weißen Kittel, breit lächelnd inmitten armer Menschen in erbärmlichen Kleidern und erbärmlicher Umgebung, die dennoch recht glücklich lächelten. Vielen fehlten Arme oder Beine, Hände oder Füße. Wahrscheinlich stammte das Foto aus der Zeit der Frambösie-Epidemie. Zu Duvaliers Füßen saßen mehrere Kinder mit harten Gesichtszügen, die bis auf einen alle schwarz waren: einen hellhäutigen Jungen mit Sommersprossen. Codada.
Max verfolgte Codadas Entwicklung vom kindlichen Kriminellen zum erwachsenen Kriminellen. Auf mehreren Fotos posierte er mit Bedouin Désyr und den Faustin-Brüdern in der Uniform der Macoutes: marineblaue Hemden und Hosen, Halstücher, Pistolen im Gürtel, die Augen hinter dicken Sonnenbrillen verborgen, die gestiefelten Füße auf eine Leiche gesetzt, immer ein breites Grinsen im Gesicht.
Vor einer Fotoserie von Codada auf einer Baustelle blieb er stehen. Die Kinnlade klappte ihm herunter. Im Hintergrund praktisch aller Fotos war der Tempel von Clarinette zu sehen.
Er warf einen Blick ins Schlafzimmer. Codada und Eloise schliefen in einem Himmelbett mit einem riesigen Fernseher am Fußende.
An der Wand hing ein gerahmtes Gemälde von einem Jungen in blauer Uniformjacke mit roten Hosen, der Flöte spielte. Es war das gleiche Gemälde, das auch in dem Club in Manhattan gehangen hatte, in dem er Allain Carver zum ersten Mal begegnet war. Max erinnerte sich sofort, dass es nicht weit von ihrem Tisch an der Wand gehangen hatte. Und noch an einem anderen Ort hatte er es gesehen: in Codadas Büro in der Bank.
Er nahm das Gemälde von der Wand und drehte es um. Auf der Rückseite klebte ein Schild: » Le Fifre , Édouard Manet.«
Im Flur hörte Max Stimmen. Zwei von Vincents Leuten waren aus dem Zimmer am Ende des Flurs gekommen.
Er ging hinein. Ein geräumiges Arbeitszimmer, direkt neben der Tür ein Schreibtisch mit einem Computer, an der gegenüberliegenden Wand Regale mit gebundenen Büchern, dazwischen ein dunkelgrüner Ledersessel und wieder ein großer Fernseher. Vor dem Computer saß eine Frau.
Alle Schubladen waren aufgezogen und der Inhalt auf dem Schreibtisch gestapelt worden: fünf dicke Packen gebrauchter 100-Dollar-Noten, stapelweise Fotos, ein halbes Dutzend CDs – alle von unterschiedlicher Farbe – und zwei Boxen mit Disketten, darauf Jahreszahlen von 1961 bis 1995.
Max ging zum Bücherregal und blieb vor einem weiteren Bild von Papa Doc stehen, das ganz anders war als die anderen, die er bisher im Haus gesehen hatte. Gekleidet wie Baron Samedi, mit Zylinder, Frack und weißen Handschuhen, saß der Diktator in einem blutroten Zimmer am Kopfende eines langen Tisches und sah den Betrachter direkt an. Mehrere Menschen saßen mit ihm am Tisch, doch ihre Gesichter waren nicht zu erkennen. Dunkle, undeutliche menschliche Gestalten, in einem so düsteren Braun gemalt, dass es fast schwarz aussah. In der Mitte des Tisches lag ein weißes Bündel. Max schaute genauer hin und erkannte, dass es ein Baby war.
Er wandte den Blick ab und ging zu den Regalen hinüber. Die Bücher waren nach Farbe sortiert – blau, grün, rot, rotbraun, braun und schwarz –, die Titel in goldenen Lettern auf die Rücken geprägt. Er griff sich einen Titel heraus: Georgina A . Das Buch daneben trug den Titel Georgina B ,
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