Voodoo
Haus.
Draußen warteten drei Jeeps mit Pauls Leuten.
Sämtliche Dienstboten und Wachleute waren auf der Rasenfläche zusammengetrieben worden, sie wurden von vier Männern mit Gewehren bewacht.
»In Amerika würde man mir einen fairen Prozess machen«, sagte Carver bei dem Anblick.
»In Amerika würden Sie sich den besten Anwalt nehmen, den man für Geld kaufen kann. Justitia mag blind sein, aber taub ist sie nicht, und Sie wissen genauso gut wie ich, dass nichts lauter spricht als kaltes, hartes Bargeld.«
Einige der Dienstboten riefen Carver mit verstörter Stimme etwas zu. Anscheinend fragten sie ihn, was vorging.
»Haben Sie eine Ahnung, was der mit mir machen wird, Max? Dieses Tier wird mich aufschlitzen und mich den Wilden zum Fraß vorwerfen. Wollen Sie das auf Ihrem Gewissen haben? Wollen Sie das?«
Max überreichte einem von Pauls Männern die Schlüssel für die Handschellen, während ein anderer Carver über nahm.
»Vielleicht mache ich es wie Sie«, sagte Max.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Carver.
»Ich werde mein Gewissen ausschalten.«
»Schwein!«, zischte Carver.
»Ich?« Max musste fast lachen. »Was sind dann Sie?«
»Ein Mann, der mit sich im Reinen ist«, schnaubte Carver.
Max bedeutete den Männern, Carver abzuführen.
In diesem Moment explodierte der Alte: »Ich verfluche dich, Max Mingus! Ich verfluche dich! Und ich verfluche Vincent Paul! Und jeden Einzelnen von euch gewehrschwingenden Affen! Verflucht seid ihr! Und … und ich verfluche den kleinen kümmerlichen Bastard und die verlogene Hure, die ihn geboren hat! Ich hoffe, dass ihr ihn nie findet! Ich hoffe, er ist tot!«
Mit brennender Verachtung starrte er Max aus kleinen Augen an, sein Atem ging mühselig und schwer, ein verwundeter, sterbender Stier vor seinem letzten wütenden Angriff.
Völlige Stille legte sich über den Vorplatz, als hätte Carvers Gebrüll alle anderen Geräusche in sich eingesaugt.
Aller Augen ruhten auf Max, alles wartete auf seine Antwort.
Die kam einen kurzen Augenblick später: » Adios , Arschloch.«
Dann sah er die Männer an, die Carver an Armen und Schultern gepackt hielten: »Bringt das Stück Scheiße hier weg und verbuddelt ihn tief.«
56
Auf dem Heimweg machte Max beim La Coupole Halt, wo gerade eine Party im Gange war. Die Weihnachtsdekoration war aus den Kisten gekramt worden, die Wände mit Bändern und Lametta und bunten Blinklichtern in Form von Tannenbäumen geschmückt.
Die Musik war ein Graus, ein Medley aus Weihnachtsliedern zu einem gleich bleibenden Technobeat, gesungen in Englisch von einer vermutlich deutschen Sängerin mit absurder Aussprache: aus » holy night « wurde » holly nit «, aus » Bethlehem « ein Ort namens » Bed-ahem «, » Hark the herald angels sing « wurde zu » Hard Gerald ankles sin «. Die Stimmung war nichtsdestotrotz ausgelassen und fröhlich, die Leute amüsierten sich. Alle lächelten und tanzten: drinnen, draußen, hinter der Bar und wahrscheinlich auch im Waschraum. Witze wurden gerissen, und das Gelächter übertönte die Musik. Die amerikanischen Soldaten mischten sich unter die UN-Friedenstruppen und beide wiederum unter die Einheimischen. Max fiel auf, dass heute sehr viel mehr Haitianer da waren als sonst, Männer und Frauen. Erst auf den zweiten Blick bemerkte er zu seiner Enttäuschung, dass sämtliche anwesenden Frauen Huren waren – die Kleider zu eng, das Make-up zu dick, dazu Perücken und dieser lockende Schaufensterblick – und die Kerle ihre Zuhälter. Sie hielten sich im Hintergrund, aber ihnen entging kein Mann, der in den Blickradius ihrer wandelnden Geldautomaten geriet.
Max bestellte sich einen doppelten Rum und ging hinaus, um den Tänzern im Hof zuzusehen. Ein betrunkener Marine fragte ihn, ob er von der Militärpolizei sei, ein anderer, ob er zur CIA gehöre. Ein rotgesichtiges Mädchen mit goldenen Ohrsteckern hielt ihm einen Mistelzweig aus Plastik über den Kopf und küsste ihn mit biernassen Lippen. Sie wollte mit ihm tanzen, aber er lehnte dankend ab, vielleicht später. Ihre Stimme reinstes Oklahoma. Er sah ihr nach, wie sie das Gleiche bei einem Haitianer machte, der an der DJ-Kanzel lehnte. Sekunden später tanzten sie eng umschlungen.
Max konnte nicht aus seiner Haut. Er war verbittert über das, was gerade passiert war, über Carver, darüber, dass er für ihn gearbeitet hatte. Es beruhigte ihn nicht, dass dem Alten mit seiner Hilfe das Handwerk gelegt worden war. Es machte ihm die Sache nicht
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