Voodoo
anlegen konnte. Max ließ ihn aufstehen und sich umdrehen, damit er ihm die Hände auf den Rücken binden konnte. Carver stöhnte auf, als die Handschellen zuschnappten.
»Gehen wir.« Max wollte ihn in Richtung Tür führen. Er musste ihn stützen, weil er taumelte und schwankte.
Nach fünf Schritten blieb Carver stehen.
»Max, bitte, nicht so«, lallte er und atmete Max Alkohol und Zigarettengestank ins Gesicht. »Ich habe eine Pistole in meinem Büro. Einen Revolver. Lassen Sie mich die Sache selbst zu Ende bringen. Sie können das Magazin leeren, lassen Sie mir nur die eine Kugel. Ich bin ein alter Mann. Ich habe nicht mehr lange.«
»Mr. Carver, Sie haben Hunderte von Kindern entführt und nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Familien zerstört. Sie haben ihre Seelen gestohlen. Sie haben diese Kinder vernichtet. Sie haben ihnen die Zukunft genommen. Für Sie kann es gar nicht Strafe genug geben.«
»Selbstgerechtes kleines Arschloch«, zischte Carver. »Ein kaltblütiger Mörder, der mir einen Vortrag über Moral halten will, Sie …«
»Sind Sie fertig?«, fiel Max ihm ins Wort.
Carver senkte den Blick. Max zog ihn weiter Richtung Tür. Pauls Männer kamen ihnen entgegen. Carver stolperte ein paar Schritte vorwärts, dann blieb er erneut stehen.
»Ich möchte mich noch von Judith verabschieden.«
»Von wem?«
»Von Judith, meiner Frau. Lassen Sie mich noch einen letzten Blick auf das Gemälde werfen. Es ist so ein gutes Bild, so gut getroffen, so ganz wie im Leben«, sagte Carver, und seine Stimme brach.
»Aber sie ist nicht am Leben. Sie ist tot. Und Sie werden ihr bestimmt bald gegenüberstehen.«
»Und wenn nicht? Wenn es da nichts gibt? Nur noch einen Blick, Mingus, bitte.«
Max dachte an Sandra und gab nach. Er winkte die Männer zurück und führte den Alten zu dem Gemälde.
Er musste Carver stützen, während der zum Bild seiner Frau aufschaute und in einem Gemisch aus Französisch und Englisch mit ihr sprach.
Max betrachtete die Bildersammlung auf dem Kaminsims – all die gerahmten Fotos von verschiedenen Carvers auf Tuchfühlung mit den Reichen und Mächtigen. Er fragte sich, ob er den einen oder anderen dieser berühmten Namen in den Aufzeichnungen wiederfinden würde.
Carver hielt in seinem Gebrabbel inne und sah Max an.
»Keiner von denen ist ein Kunde, keine Sorge«, lallte er. »Aber sie sind alle nicht mehr als zwei Ecken davon entfernt. Vergessen Sie das nicht. Zwei Ecken.«
»Okay, gehen wir.« Max nahm Gustavs Arm.
»Nehmen Sie Ihre Pfoten weg!« Carver riss sich aus Max’ Griff los und wollte einen Schritt zurückweichen, aber er verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Er landete auf dem Rücken, auf den gefesselten Handgelenken.
Max machte keine Anstalten, ihm zu helfen.
»Stehen Sie auf, Carver.«
Mühsam rollte sich der alte Mann auf die Seite, er keuchte und stöhnte. Dann lag er auf dem Bauch. Er drehte sich auf die rechte Seite und wollte das linke Bein hochziehen, um sich aufzurichten, aber die linke war die schwache Seite, für die er beim Gehen den Stock brauchte. Das Bein hob sich nur ganz leicht, bevor es erstarrte und Carver sich wieder auf den Bauch rollen ließ. Er atmete tief durch und blinzelte. Dann kroch er sich windend und schlängelnd auf Max zu, er wimmerte und schnaubte vor Anstrengung.
Als er mit dem Gesicht vor Max’ Füßen lag, schaute er so weit zu ihm hoch, wie er konnte.
»Erschießen Sie mich, Max«, flehte er. »Es macht mir nichts aus zu sterben. Erschießen Sie mich hier, vor meiner Judith, bitte!«
»Sie stehen jetzt auf, Carver«, sagte Max ungerührt, trat hinter den Alten, packte ihn grob an den Handschellen und stellte ihn wieder auf die Füße.
»Bringen Sie mich nicht zu Vincent Paul, Max, bitte. Er wird unsägliche Dinge mit mir tun. Bitte erschießen Sie mich, bitte. Von Ihnen kann ich das annehmen.«
»Sie sind ein miserabler Bettler, Carver«, flüsterte Max ihm ins Ohr.
»Erschießen Sie mich, Max.«
»Carver, geben Sie sich etwas Mühe, Ihre Würde nicht ganz zu verlieren. Sehen Sie her.« Max knöpfte sein Hemd auf und zeigte Carver das Mikrofon, das an seiner Brust befestigt war. »Sie wollen doch nicht, dass Vincent Pauls Leute kommen und Sie hier raustragen, oder?«
»Wie nennt man das, ein abgekartetes Spiel?«
»Meinetwegen.«
Mit einem Ausdruck, der halbwegs resigniert und ganz und gar angewidert war, nickte Carver feierlich Richtung Tür.
»Gehen wir.«
Max führte ihn aus dem
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