Voodoo
wurde »Papa Doc« zum Volkshelden, zum Retter der Armen.
1957 finanzierte Gustav Carver Duvaliers Wahlkampf für das Präsidentenamt und stellte auch einige der Schläger, die jene Wähler, die sich nicht kaufen ließen, doch noch überzeugen sollten, ihre Stimme dem guten Doktor zu geben. Duvalier wurde mit überwältigender Mehrheit gewählt. Und Carver mit einem ansehnlichen Anteil am lukrativen Kaffee- und Kakaogeschäft der Insel entlohnt.
Für Haiti brachen wieder einmal düstere Zeiten an, als sich Papa Doc zum »Präsidenten auf Lebenszeit« ernannte und zum meistgefürchteten und -geschmähten Tyrannen in der Geschichte des Landes aufstieg. Die Armee und die Tontons Macoutes töteten, folterten und vergewaltigten Tausende – entweder auf Befehl der Regierung oder aus persönlichen Motiven, meist um ein Stück Land oder ein Unternehmen an sich zu bringen.
Gustav Carver wurde immer reicher, da sein Busenfreund Duvalier ihn nicht nur mit weiteren Monopolen ausstattete – unter anderem an Zuckerrohr und Zement –, sondern auch mehrere Konten bei der Banque Populaire d’Haïti unterhielt, auf die er regelmäßig die Dollarmillionen aus der US-Hilfe deponierte, die ihm alle drei Monate überwiesen wurden. Der Großteil des Geldes wanderte still und heimlich auf Schweizer Bankkonten.
Papa Doc starb am 21. April 1971. Im Alter von neunzehn Jahren nahm Jean-Claude den Platz seines Vaters als »Präsident auf Lebenszeit« ein. Doch Baby Doc hatte nicht das geringste Interesse daran, Haiti zu regieren, und überließ die Geschäfte seiner Mutter und später seiner Frau Michèle. Die Hochzeit der beiden schaffte es 1981 als drittteuerste aller Zeiten ins Guinness-Buch der Rekorde, während der IWF-Bericht des gleichen Jahres Haiti als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre auswies.
Morgendämmerung in Miami. Max hatte seine Lektüre beendet und trat auf den Balkon. Wie alle erfolgreichen Geschäftsleute waren auch die Carvers skrupellose Opportunisten. Und wie alle erfolgreichen Geschäftsleute hatten sie vermutlich ein ganzes Telefonbuch voller Feinde.
Die meisten Sterne waren im ersten Sonnenlicht noch nicht verblasst, und in der Brise lag noch die Kühle der Nacht, aber er war sicher, dass es ein schöner Tag werden würde.
Jeder Tag außerhalb der Gefängnismauern war ein schöner Tag.
5
Clyde Beeson war tief gefallen. Das Leben hatte ihm nicht nur ins Gesicht getreten, es hatte die Zahnlücken mit Pappmaché aufgefüllt. Er konnte sich nicht einmal mehr eine ordentliche Bleibe leisten und lebte in einer Wohnwagensiedlung in Opa-locka.
Opa-locka war ein Dreckloch, eine der schäbigsten Gegenden im ganzen Dade County, eine kleine graue Warze an Miamis muskulösem, braun gebranntem und hedonistischem Arsch. Es war ein schöner Tag, der Himmel klar und hellblau. Das Sonnenlicht flutete ungebrochen über die Landschaft und ließ die Gegend mit den heruntergekommenen, halb verfallenen, maurisch inspirierten Gebäuden umso trostloser aussehen.
Die Adresse hatte Max vom Portier in der Lobby von Beesons einstigem Zuhause bekommen – einer Luxus-Wohnanlage in Coconut Grove mit Blick auf den Bayside Park mit seinen Joggern und Jacht-Clubs und der Aussicht auf floridatypische Sonnenuntergänge. Der Portier hatte Max für einen Schuldeneintreiber gehalten und ihn gebeten, dem puta beide Beine zu brechen.
Je nach Bewohnern und Lage gab es Wohnwagensiedlungen, die sich als ganz normale Vorstadt zu präsentieren versuchten. Sie versteckten ihre wahre Identität hinter weißen Holzzäunen und Rosenbüschen und so anheimelnden Namen wie Lincoln Cottages, Washington Bungalows oder Roosevelt Huts. Die meisten Wohnwagensiedlungen gaben sich allerdings weniger Mühe. Sie hoben resigniert die Hände, zeigten sich als das, was sie waren, und suchten sich ihren Platz auf dem Müllberg links von Not und Elend.
Beesons Viertel sah aus, als hätte jemand Bomben darauf abgeworfen. Überall Schrott – Herde, Fernseher, ausgeweidete Autos, Kühlschränke – und Müll, der sich schon in die Landschaft eingefügt hatte. Irgendein unternehmerischer Geist hatte den Müll zu kleinen Häufchen zusammengeschoben, die bekannten pfeilförmigen weißen Holzschilder eingepflanzt und in großen, krakeligen Ziffern die Hausnummern draufgepinselt. Die Wohnwagen sahen von außen dermaßen heruntergekommen aus, dass Max sie fälschlicherweise für ausgebrannte und verlassene Wracks hielt, bis er hinter den Fenstern Menschen sah. Weit
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