Voodoo
Sturmwolken aus Aftershave, manikürte Hände und ein dicker Ring am kleinen Finger. Dennoch hatte Beeson nie die Figur abgegeben, die er sich von einem maßgeschneiderten Anzug im Wert von mehreren tausend Dollar versprochen hatte. Statt an einen klassischen Florida-Lebemann hatte er Max immer an einen übereifrigen Teenager auf dem Weg zur Erstkommunion erinnert, dem die Mama den Sonntagsstaat ausgesucht hatte.
Und jetzt das: eine schmutzige Weste unter einem offenen, billigen schwarzen Hawaiihemd mit orangefarbenen und grünen Palmen drauf.
Max war schockiert.
Was nicht am Hemd lag oder der Weste …
Es lag an der Windel.
Clyde Beeson trug eine Windel, eine dicke graubraune Frotteewindel, an der Hüfte von großen blauen Sicherheitsnadeln zusammengehalten.
Was um alles in der Welt war mit ihm geschehen?
Max schaute sich im Wohnwagen um. Er war so gut wie leer. Zwischen ihm und Beeson lag PVC-Fußboden, darauf stand ein olivgrüner Ledersessel, an den Armlehnen aufgescheuert, sodass die Polsterung hervorquoll, und eine umgedrehte Transportkiste, die als Tisch diente. Auf dem Fußboden eine schmierig aussehende schwarze Schicht. Die ursprüngliche gelbe Farbe war nur noch an den Stellen zu erkennen, wo der Pitbull mit seinen Krallen und Pfoten Spuren hinterlassen hatte. Überall Hundescheiße: frisch, trocken und halbtrocken.
Wie hatte Beeson so tief fallen können?
An der Wand stapelten sich vom Boden bis zur Decke Pappkartons und verdeckten die Fenster zu seiner Rechten. Mehrere Kartons waren feucht geworden und sackten in der Mitte durch. Über kurz oder lang würde sich der Inhalt über den Fußboden ergießen.
Die Sonnenstrahlen, die durch die Jalousie fielen, schnitten durch die von dichtem Zigarettenrauch erfüllte Luft, und die zahllosen Schmeißfliegen flogen an Max vorbei und knallten gegen das Fenster, weil sie glaubten, da die große Freiheit zu finden. Selbst die Fliegen wollten dem Dreckloch entkommen.
Die Töle knurrte in der düsteren Ecke, in die auch die Dunkelheit sich verzogen hatte. Max sah nur ihre Augen, die ihn beobachteten.
Er ging davon aus, dass sich in der Küche hinter ihm dreckiges Geschirr und vergammelte Lebensmittel stapelten, und er dachte lieber nicht darüber nach, wie es in Beesons Schlafzimmer und Bad aussehen mochte.
Es war brütend heiß. Max war der Schweiß ausgebrochen.
»Immer reinspaziert, Mingus.« Beeson winkte ihm mit der Hand, die die Waffe hielt. Eine .44 Magnum aus solidem Metall mit lange m Lauf, der gleiche Revolver, den Clint Eastwood in Dirty Harry benutzt hatte – ohne Zweifel ein großes Vorbild für den Käufer. Die Waffe war ungefähr so lang wie der Arm, der sie hielt.
Beeson sah, dass Max sich nicht von der Stelle rührte. Er stand reglos da, das Taschentuch auf die Nase gepresst, einen angewiderten Blick in den Augen.
»Ganz wie du willst.« Er zuckte die Schultern und grinste. Seine verklebten braunen Krötenaugen quollen zwischen den aufgedunsenen grauen Lidern hervor. Viel geschlafen hatte er anscheinend nicht in letzter Zeit.
»Vor wem versteckst du dich?«, fragte Max.
»Ich versteck mich einfach«, antwortete er. »Allain Carver hat dich also engagiert, nach seinem Sohn zu suchen?«
Max nickte. Er hätte das Taschentuch gern vom Gesicht genommen, aber die Luft war so dick, dass er zu spüren glaubte, wie sich ihm kleine Geruchspartikel wie feiner Staub auf die Haut legten.
»Was hast du ihm gesagt?«
»Ich sagte, dass der Junge wahrscheinlich tot ist.«
»Das hab ich nie kapiert, wie du mit so einer Einstellung in dieser Stadt je Geld verdient hast«, sagte Beeson.
»Ehrlichkeit zahlt sich aus.«
Beeson musste lachen. Anscheinend rauchte er drei Schachteln pro Tag oder mehr, jedenfalls löste das Lachen einen lauten, heiseren Hustenanfall aus, der ihm einige Stücke Sputum aus der Lunge riss. Er spuckte eine Ladung auf den Fußboden und rieb sie mit dem Fuß in den Dreck. Max fragte sich, ob in dem Schleim auch Tumorblut war.
»Ich hab nicht für dich die Vorarbeit gemacht, Mingus, falls du deswegen hier bist. Außer du zahlst«, sagte Beeson.
»Manche Dinge ändern sich nie.«
»Reine Gewohnheit. Kann mit Geld sowieso nichts mehr anfangen.«
Max hielt es nicht länger aus. Er ging zur Tür und riss sie auf. Licht und frische Luft strömten in den Wohnwagen. Max blieb einen Moment stehen und atmete die reinigende Luft in tiefen Zügen ein.
Der Pitbull kläffte und zerrte an der Kette. Offensichtlich wollte er nichts als
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