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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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gepflasterter Fußweg führte durch grünen Grabsteinmarmorsplitt zu einer quadratischen Granitplatte, auf der ein großer runder Tisch mit weißem Metallgeflecht und sechs passende Stühle standen. Auf den Stuhlsitzen lag Staub, genau wie auf der Tischplatte, die in der Mitte rote Wachsflecken aufwies. Er stellte sich vor, wie dort in der Nacht ein Pärchen saß und bei Kerzenlicht Cocktails trank, wie sie sich vielleicht bei den Händen hielten und den Abend genossen. Er dachte an Sandra, der das gefallen hätte. Den Moment genießen, die Zeit voll auskosten und seine Hand halten, als könnte sie damit die Zeit selbst anhalten, die Uhrzeiger mitten in der Bewegung stoppen und diesen einen Moment ganz für sich allein beanspruchen. Er dachte an ihren ersten Hochzeitstag zurück. Sie hatten in dem Haus auf den Keys, das sie gemietet hatten, gegrillten Fisch gegessen. Jeden Tag hatten sie den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang bewundert und am Strand zum Klang der Wellen getanzt. Er fragte sich, was sie von dem, was er von Haiti bisher gesehen hatte, halten würde. Haiti war eines der wenigen Länder, von denen sie nie gesprochen hatte.
    Der Garten war umsäumt von jungen Palmen, die vielleicht zwei oder höchstens drei Jahre alt waren, immer noch dünn und biegsam, noch weit entfernt von ihrem eigentlichen Umfang. Eine Reihe Mango-, Orangen- und Limettenbäume markierte die untere Grenze des Grundstücks. Dahinter verlief ein hoher Zaun mit einer Krone aus gerolltem Stacheldraht. Der Zaun stand unter Strom, er gab ein konstantes Summen von sich, wie die ausklingenden Schwingungen einer Stimmgabel. Er wurde von außen und von innen von dichtem grünem Efeu verdeckt. Max ging bis zum Ende des Zauns und stand vor einer sechs Meter hohen, weiß getünchten Mauer, ebenfalls mit einer Krone aus Stacheldraht. Auf dem Boden davor waren Glasscherben ausgestreut, sie lagen halb im Sand vergraben. Er entdeckte eine Lücke im Zaunbewuchs und spähte hindurch. Das Grundstück grenzte auf seiner ganzen Breite an eine Schlucht, deren Kante auf dieser Seite durch eine Böschungsmauer gesichert war. Die gegenüberliegende Seite war eine hohe Wand aus dunkler Erde. Dort wuchsen hohe Bäume, die alle in bedrohlich spitzem Winkel über dem Abgrund hingen. Ihr Wurzelwerk ragte zur Hälfte aus dem Boden und klammerte sich in die leere Luft, als wären die Bäume von einer Lawine entwurzelt worden, die mitten im Abgang plötzlich innegehalten hatte. Unten in der Schlucht stand öliges schwarzes Wasser. Gegenüber sah Max eine Texaco-Tankstelle und eine Art Restaurant.
    Die Geräusche der Straße drangen herüber. Jede Stadt hatte ihren ganz eigenen Verkehrslärm. In New York waren es Hupen und Sirenen, Staus und Rettungswagen. In Miami die sanfteren Laute fließenden Verkehrs, Bremsen und quietschende Reifen, die Fehlzündungen der Motorräder und das Wummern der aufgemotzten Limousinen. In Pétionville schepperten die Autos, als würden sie ihre Kotflügel über den holprigen Asphalt hinter sich herschleifen, und die Hupen quäkten wie verstimmte Alt-Saxofone.
    Während er noch dastand und in die Welt da draußen starrte, war plötzlich die Nacht hereingebrochen.
    Er war dankbar, als er nichts mehr sehen konnte. Die Luft vibrierte vom Gesang der Grillen und Zikaden, in der tintenschwarzen Dunkelheit leuchteten Glühwürmchen – winzige, limettengrüne Funken, die für einen kurzen Augenblick aufflackerten und dann für immer verloschen.
    Der Himmel war klar. Max konnte Tausende von Sternen sehen, die über den Himmel ausgegossen schienen, sehr viel näher, als er sie in Amerika je gesehen hatte. Ein glitzernder weißer Sprühnebel, fast zum Greifen nah.
    Er ging zurück zum Haus. Plötzlich ließ ein ganz neues Geräusch ihn wie angewurzelt stehen bleiben. Ein leiser, weit entfernter Klang. Er lauschte. Vorbei an den Insekten, dem Straßenverkehr und den Geräuschen der bettelarmen Menschen, die sich auf eine weitere Nacht in ihren elenden Bretterbuden vorbereiteten.
    Da war es. Er drehte sich ein wenig nach rechts. Da, es kam von irgendwo oberhalb der Stadt. Ein einzelner Trommelschlag, alle zehn oder zwölf Sekunden: domm … domm … domm … domm .
    Eine Basstrommel, deren Klang durch das lärmende Chaos der Nacht dröhnte, insistierend und stark, wie der Herzschlag eines Riesen.
    Max spürte, wie ihm das Dröhnen in den Körper drang, wie der Rhythmus der einsamen Trommel in seinem Brustkorb widerhallte und ihm ins Herz floss,

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