Voodoo
gefasst haben.
»Francesca, meine Frau«, sagte Allain.
Francesca Carver rang sich ein müdes Lächeln ab. Es sah aus, als wären hinter den Kulissen irgendwelche Leute mit aller Kraft bemüht, ihre Mundwinkel hochzukurbeln. Sie gab Max eine kalte, feuchte Hand, die ihn für einen kurzen Moment in seine Zeit als Streifenpolizist mit Joe zurückversetzte, als er gelegentlich mit den Händen in verstopften Toiletten nach Drogen hatte suchen müssen – Scheißhausfingern hatten sie das genannt. Meistens waren sie mit bloßen Händen zu Werke gegangen, weil mal wieder keiner daran gedacht hatte, zur Razzia Handschuhe mitzubringen. Monatealte Fäkalien hatten die gleiche Konsistenz wie kalte, rohe Hamburger – und genau das gleiche Gefühl vermittelte ihm die Hand von Mrs. Carver.
Ihre Blicke trafen sich. Ihre Augen waren von einem hellen, ausgewaschenen Blau, das sich nur ganz leicht vom Weißen abhob, wie der Schatten eines längst vergessenen Tintenflecks auf einer frisch gewaschenen Tischdecke. Sie hatte den Blick eines Streifenpolizisten: misstrauisch und forschend, skeptisch und gereizt.
Francesca war schön, aber auf eine Art, die ihn noch nie angesprochen hatte: eine vornehme, distanzierte Schönheit, die Status, nicht aber Leidenschaft versprach. Zarte, porzellanweiße Haut, perfekt aufeinander abgestimmte Gesichtszüge, nichts größer oder kleiner, als es sein sollte, alles symmetrisch und genau an der richtigen Stelle. Hohe, scharfe Wangenknochen, spitzes Kinn und eine leicht aufwärts zeigende Nase, die perfekte Abschussrampe für einen verächtlichen od er vernichtenden Blick. Manhattan-Dame, Florida-Belle, Pal m-Springs-Prinzessin, Bel-Air-Blaublut: Francesca Carver hatte das Gesicht, das in einem Dutzend Country Clubs zu Hause war und die Jahresmitgliedschaft oder sehr gute Beziehungen verlangte, wollte man ihm nahe kommen. Ihr Leben stellte er sich so vor: vierstündige Mittagessen, Blitzdiäten, einmal im Monat zur Darmspülung, Maniküre, Pediküre, Schönheitsbehandlung, Massage und Botox, zweimal die Woche zum Friseur. Eine Gouvernante, ein persönlicher Trainer, ein pro Tag/Woche/Monat festgesetztes Taschengeld und ein endloses Repertoire an Smalltalk. Die perfekte Ergänzung zu Allain Carver.
Aber nicht alles an ihr passte ins Bild, ihre Erscheinung war nicht ohne Brüche und Risse. Vor ihr stand ein großes Glas mit einem ungefähr vierfachen Wodka. Ihr dunkelblondes Haar war zu einem festen, strengen Knoten gebunden, der alle Aufmerksamkeit auf ihr blasses, schmales Gesicht lenkte, auf die dunklen Ringe unter ihren Augen und die Vene an der linken Schläfe, die unter der Haut pulsierte und von einem angespannten, beschleunigten Herzschlag zeugte.
Sie sagte nichts, und ihre Begrüßung blieb wortlos. Max sah ihr an, dass sie nichts von ihm hielt; was seltsam war, weil die meisten Eltern, die ihn engagierten, um nach ihrem vermissten Kind zu suchen, zu ihm aufschauten wie zu einem verhinderten Superhelden.
»Und mein Vater, Gustav Carver.«
»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte Gustav. Seine Stimme klang heiser, die Stimme eines redseligen, schreienden Rauchers.
Sie gaben sich die Hand. Für einen Mann seines Alters legte der Senior, der schon einen Schlaganfall hinter sich hatte, eine erstaunliche Kraft an den Tag. Sein Händedruck, mit minimaler Anstrengung ausgeführt, war ein Knochenbrecher. Er hatte zwei beeindruckende Pranken von der Größe von Baseballhandschuhen.
Mit dem schweren schwarzen Gehstock mit dem silbernen Knauf, den er über die Armlehnen seines Sessels gelegt hatte, klopfte er auf die Couch zu seiner Linken.
»Setzen Sie sich zu mir, Mr. Mingus«, knurrte er.
Max ließ sich so dicht neben dem alten Mann nieder, dass ihm dessen leichter Geruch nach Menthol in die Nase stieg. Der Vater hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Sohn. Gustav Carver sah aus wie ein Fabelwesen, das gerade zwischen zwei dämonischen Ausbrüchen eine Ruhepause einlegte. Den riesigen Kopf zierte eine mit Brillantine nach hinten gekämmte silberweiße Mähne. Seine Nase war breit, die kräftigen Lippen schnabelförmig, und die kleinen, dunkelbraunen Augen, die unter den schlaffen Augenlidern hervorschauten, glänzten wie frisch geröstete Kaffeebohnen.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Gustav, und es war mehr ein Befehl denn eine Einladung.
»Ja, gern«, sagte Max und wollte um ein Wasser bitten, aber Gustav kam ihm zuvor.
»Sie sollten unseren Rum probieren. Ist der
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