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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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meinten, die Amerikaner würden den Nationalpalast bombardieren. In Port-au-Prince kam es zu Unruhen und Plünderungen. Die Leute verließen ihre Dörfer in den Bergen und zogen mit Handwagen und Schubkarren runter in die Stadt, um dort Geschäfte und Wohnhäuser zu plündern. Es herrschte Anarchie.
    Wenn man wissen wollte, wie schlimm es war, musste man nur die Nase in den Wind halten. Roch es nach brennendem Gummi, bedeutete das Plünderungen und Unruhen. Teilweise wurden Barrikaden aus brennenden Reifen errichtet. Manchmal konnte man zwei oder drei Rauchwolken sehen, dicke schwarze Säulen, die von Port-au-Prince hoch in den Himmel stiegen. Dann wusste man, dass es richtig schlimm war.
    Und es war richtig schlimm, als wir an jenem Morgen im kugelsicheren Geländewagen hinunter in die Stadt fuhren. Rose, Charlies Kindermädchen, saß mit mir und Charlie auf dem Rücksitz. Er war glücklich. Ich durfte mit seinem Haar spielen, durfte es mit den Fingern kämmen. Wir wollten zur Rue du Champs de Mars, nicht weit vom Nationalpalast.
    Es war sehr, sehr gefährlich in der Stadt. Ununterbrochen wurde geschossen. Irgendwann habe ich aufgehört, die Leichen auf den Straßen zu zählen. Faustin meinte, wir müssten uns eine unauffällige Stelle suchen und warten, bis die Schießereien aufhörten, also blieben wir auf dem Boulevard des Veuves stehen. Normalerweise sind da haufenweise Menschen unterwegs, aber an jenem Tag war die Straße wie ausgestorben. Ich hatte schon gemerkt, dass mit Faustin irgendetwas nicht stimmte. Er schwitzte sehr stark, und auf dem Weg in die Stadt hatte er mich die ganze Zeit über im Rückspiegel angestarrt.
    Normalerweise liegen in allen unseren Autos geladene Waffen unter den Sitzen. Also habe ich unter meinem nachgesehen. Nichts. Faustin hatte das bemerkt, und als sich unsere Blicke trafen, lächelte er, als wollte er sagen: › Nicht da , wie? ‹ Er hatte die Türknöpfe heruntergedrückt. Ich habe versucht, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen.
    Irgendwann waren keine Schüsse mehr zu hören. Rose fragte Faustin, warum wir nicht weiterfahren. Faustin meinte, sie solle sich da raushalten, und das in ziemlich rüdem Ton. Ich habe ihm befohlen, seine Zunge im Zaum zu halten. Er sagte: › Halt den Mund ‹, und da wusste ich, dass etwas wirklich, wirklich im Argen lag. Ich bin durchgedreht. Ich habe ihn angeschrien, er solle uns aus dem Wagen rauslassen. Er hat nichts gesagt. Dann sind draußen ein paar Kinder aufgetaucht. Straßenkinder. Sie haben den Wagen gesehen und sind auf uns zugelaufen. Sie haben durch die Fenster reingeguckt. Einer hat Faustins Namen gesagt und angefangen zu schreien und auf uns zu zeigen.
    Dann kamen immer mehr Leute, Erwachsene mit Macheten und Knüppeln und Autoreifen und Benzinkanistern. Sie brüllten ›Faustin – assassin , Faustin – assassin ‹, immer und immer wieder. Faustin war früher ein gefürchteter Tonton Macoute gewesen. Er hat sich viele Feinde gemacht, viele Leute wollten ihn tot sehen.
    Immer mehr Menschen drängten sich um den Wagen, dann hat einer einen Stein gegen die Heckscheibe geworfen. Der ist abgeprallt, ohne Schaden anzurichten, aber es war wie eine Art Signal, plötzlich sind alle auf uns eingestürmt. Faustin ist losgefahren, aber wir sind nicht weit gekommen, weil am Ende der Straße eine Barrikade errichtet worden war. Er wollte rückwärts zurückfahren, aber der Mob hatte uns schon eingeholt. Wir saßen in der Falle.«
    Francesca hielt inne und atmete tief durch. Sie war bleich geworden, ihr Blick starr.
    »Lassen Sie sich Zeit«, sagte Max.
    »Die Leute sind über die Barrikaden gestürmt und auf den Wagen losgegangen«, fuhr sie fort. »Wir waren sofort umzingelt. Die Menge skandierte: ›Faustin – assassin ‹, dann schlugen alle mit Knüppeln und Steinen auf den Wagen ein und haben ihn hin- und hergeschaukelt. Sie haben die Fenster eingeschlagen und auf das Dach eingedroschen. Faustin hat ein Maschinengewehr unterm Sitz hervorgezogen. Rose hat geschrien. Ich wahrscheinlich auch. Charlie ist die ganze Zeit ruhig geblieben und hat sich alles angeguckt, als wäre das eine spannende Landschaft da draußen. Ich weiß noch, dass ich ihm durchs Haar gestrichen habe, ich habe ihn an mich gedrückt und gesagt: › Alles wird gut .‹ Danach … danach weiß ich nur noch, dass ich mitten auf der Straße wieder aufgewacht bin. Ich lag ein paar hundert Meter weg vom Wagen. Ich habe keine Ahnung, wie ich dahin gekommen bin. Da war

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