Voodoo
Herzen zulegt. Vielleicht hatte sie sein Spiel durchschaut, weil sie schon mal darauf hereingefallen war – und sich verbrannt hatte.
»Er muss Ihnen sehr wehgetan haben, Chantale«, sagte Max.
»Hat er«, teilte sie der Windschutzscheibe mit und kappte die Unterhaltung, indem sie das Radio einschaltete und laut aufdrehte.
Sie folgte einer scharfen Linkskurve, die sich an den Berg schmiegte. Dahinter eröffnete sich Max der Blick auf Portau-Prince, wenige Meilen weiter unten, das sich von der Küste her ins Inland ausbreitete wie eine getrocknete Lache Erbrochenes, die darauf wartete, vom Meer weggespült zu werden.
Jede Menge US-Militär im Zentrum von Port-au-Prince. Humvees, Jeeps mit fest installierten Maschinengewehren und Soldaten in Kampfausrüstung bildeten einen Kordon um den Nationalpalast, wo der derzeitige Präsident – der Nachfolger Aristides und zugleich ein enger Weggefährte, ein ehemaliger Bäcker und angeblicher Alkoholiker namens Préval – residierte und das Land regierte, soweit die Marionettenfäden, an denen er hing, es zuließen.
Huxley hatte Max unter anderem erzählt, dass ein Präsident laut der geltenden Verfassung Haitis nicht mehrere Amtszeiten hintereinander regieren durfte, zwischendurch musste jemand anderes zum Zuge kommen. Viele hielten Préval für einen Büttel Aristides, der ihm bis zu seiner unvermeidlichen Rückkehr den Sessel warmhielt. Demokratie war noch ein fließend Ding in diesem Land.
»Scheiß-Amis!«, schimpfte Chantale, als sie an einem Jeep voller Marines vorbeifuhren. »Nichts für ungut.«
»Kein Problem. Sie sind mit der Invasion wohl nicht einverstanden, wie?«
»Am Anfang war ich es, bis mir klar wurde, dass der Einmarsch hier nur ein Werbefeldzug für Clintons Vorwahlkampf war. In Somalia hatte er alles vermasselt, die USA waren gedemütigt, seine Glaubwürdigkeit angekratzt. Was tun? Man sucht sich ein praktisch verteidigungsloses schwarzes Land und marschiert dort im Namen von ›Freiheit‹ und ›Demokratie‹ ein«, sagte Chantale verbittert, dann lachte sie. »Wussten Sie, dass die Jimmy Carter hergeschickt haben? Er sollte mit der Militärjunta Friedensverhandlungen führen, nachdem die sich geweigert hatten, die Macht wieder abzugeben.«
»Ja, ich hab’s gesehen …«, sagte er. Und dachte: im Knast . »Mr. Menschenrechte höchstpersönlich. Wie hab ich den gehasst, dieses Arschloch. Er hat Miami kaputtgemacht.«
»1980, die Flüchtlingswelle aus Kuba?«
»Richtig. Früher war die Stadt echt in Ordnung, voll von Juden im Ruhestand und rechten Kubanern, die Pläne zur Ermordung Castros schmiedeten. Es war echt ruhig, echt konservativ, wenig Verbrechen, alles friedlich. Dann hat Castro zusammen mit all den ehrlichen, gesetzestreuen Flüchtlingen, die nichts anderes wollten, als sich irgendwo ein neues Leben aufzubauen, auch seine Kriminellen und Psychopathen in Booten rübergeschickt, und wir hatten die Kacke am Dampfen, El Jimbo sei Dank. Es war die Hölle, damals Polizist zu sein, das kann ich Ihnen sagen. Wir wussten gar nicht, wie uns geschah. Erst ist Miami eine wunderbare Stadt, in der man seine Kinder großziehen kann, und im nächsten Moment ist es plötzlich die Mordhauptstadt der USA.«
»Und dann haben Sie Reagan gewählt?«
»1980 hat jeder verdammte Polizist in Miami Reagan gewählt. Alle anderen waren entweder krank oder nicht im Wählerregister eingetragen«, grinste Max.
»Früher war ich Demokratin. 92 habe ich noch Clinton gewählt, davor Dukakis. Nie wieder«, sagte Chantale. »Haben Sie gehört, wie die so genannten Friedensgespräche zwischen Carter und General Cedras gelaufen sind, dem Chef des Militärregimes?«
»Nein. Erzählen Sie’s mir.«
»Carter kommt, natürlich vor laufenden Fernsehkameras, nach Haiti. Er trifft sich mit General Cedras und seiner Frau. Und es ist Mrs. Cedras, die die Verhandlungen führt. Sie will von Carter die Zusage, dass jedes einzelne Mitglied der Junta zehn Millionen Dollar kriegt und sicheres Geleit, um das Land verlassen zu können, und natürlich Straffreiheit. Und der sagt ja.
Dann wollte sie noch, dass die Amerikaner ihre Häuser bewachen. Und verhandelt gleich noch darüber, dass die US-Regierung die Häuser mieten soll, für die Botschaftsangehörigen. Und wieder sagt er ja. Und dann – und deshalb wäre der Deal fast geplatzt – will Mrs. Cedras noch, dass ihr schwarzes Ledersofa nach Venezuela transportiert wird, wo sie sich alle niederlassen wollten. Da hat Carter
Weitere Kostenlose Bücher