Voodoo
und der regelt das für Sie.«
»Wie?«
»Zaubersprüche, Gebete, Gesänge, Opfer. Das ist ziemlich individuell, es gibt da keine Regeln, und es hängt vom Houngan ab. Oft sind das echt eklige Sachen, zum Beispiel muss man die gebrauchten Tampons der Frau kochen und das Wasser trinken.«
»Und das funktioniert?«
»Ich kenne niemanden, der es versucht hat«, lachte Chantale. »Aber man sieht hier ziemlich viele hässliche Männer mit einer schönen Frau im Arm, da können Sie sich Ihre eigene Meinung bilden.«
»Was würde der Voyeur …?«
» Voyant . Das ist was komplett anderes. Hat mit Voodoo nicht das Geringste zu tun – aber erzähl das einem Ausländer, und er glaubt dir sowieso nicht.« Chantale musterte Max, um zu prüfen, ob er sie ernst nahm. Sie war erfreut zu sehen, dass er sein Notizbuch aufgeschlagen hatte und eifrig schrieb.
»Hellseher gibt es auf der ganzen Welt, Tarotkarten- und Handflächenleser, Zigeuner, Geisterbeschwörer und Medien. Voyants sind so was Ähnliches, nur dass sie noch viel mehr können. Sie benutzen keine Gimmicks. Die brauchen sie nicht. Man geht zu ihnen mit einer bestimmten Frage, die einem auf dem Herzen liegt – sagen wir, man wird in einem Monat heiraten und hat so seine Zweifel. Der Voyant sieht dich an und erzählt dir in groben Zügen, was passieren wird, als würde man sich ganz normal unterhalten. Sie können einem niemals sagen, was man tun soll. Sie zeigen einem nur, was die Zukunft bringen wird, und dann muss jeder seine Entscheidungen selbst fällen.«
»So weit, so durchgeknallt«, sagte Max.
»Mag sein, aber die Grands Voyants – und davon gibt es vielleicht zwei in ganz Haiti, und Filius Dufour ist so mächtig, wie man nur sein kann –, die können die Zukunft auch beeinflussen. Wenn einem nicht gefällt, was er einem erzählt, kann ein Grand Voyant direkt mit den Geistern in Kontakt treten. Um auf die Frau zurückzukommen, die man nicht haben kann: Stellen Sie sich vor, es gibt Geister, die auf Sie Acht geben.«
»So wie Schutzengel?«
»Ja. Die Grands Voyants können direkt mit diesen Geistern in Verbindung treten und einen Deal mit ihnen aushandeln.«
»Einen Deal?«
»Wenn die Frau sie enttäuscht hat, wenn sie nicht ihrem Schicksal gehorcht, wenn sie grausam war zu den Menschen um sie herum, dann werden sie sich vielleicht darauf einlassen, dass der Voyant sie zu dem Mann treibt.«
»Echt wahr?«, fragte Max. »Und der Erfolg hängt natürlich davon ab, dass man dran glaubt, richtig?«
»Das funktioniert auch bei Leuten, die nicht daran glauben. Für die ist es sogar noch schlimmer, weil sie nicht wissen, was los ist. Plötzlich haben sie eine Pechsträhne, die Frau, mit der sie seit fünfzehn Jahren verheiratet sind, verlässt sie und zieht zu ihrem Erzfeind, die minderjährige Tochter wird schwanger … solche Sachen.«
»Warum kennen Sie sich da so gut aus?«
»Meine Mutter ist eine Mambo – eine Priesterin. Filius Dufour hat ihre Initiation durchgeführt, als sie dreizehn war. Genau wie bei mir.«
»Wie?«
»Mit einer Zeremonie.«
Max sah sie an, aber er konnte ihr Gesicht nicht deuten.
»Was hat er getan?«
»Meine Mutter hat mir einen Trank gegeben, und ich habe meinen Körper verlassen und alles von oben gesehen. Nicht von sehr weit oben, ein, zwei Meter vielleicht. Wissen Sie, wie die Haut aussieht, wenn man nicht mehr drinsteckt?«
Max schüttelte den Kopf- so etwas hatte er nicht mal nach dem allerbesten kolumbianischen oder jamaikanischen Gras erlebt.
»Wie alte Weintrauben, ganz faltig und hohl und schlaff, selbst wenn man so jung ist wie ich damals.«
»Was hat er getan?«, fragte Max noch einmal.
»Nicht, was Sie denken«, entgegnete sie, weil sie seinen Tonfall richtig gedeutet hatte. »Unsere Religion ist vielleicht primitiv, aber brutal ist sie nicht.«
Max nickte. »Wann haben Sie Dufour das letzte Mal gesehen?«
»Seit jenem Tag nicht mehr. Was wollen Sie von ihm?«
»Mit ihm reden, im Zuge der Ermittlungen.«
»Und zwar?«
»Ist vertraulich«, sagte Max knapp.
»Verstehe«, entgegnete Chantale. »Ich habe Ihnen gerade etwas sehr Persönliches erzählt, das ich nun wirklich nicht jedem auf die Nase binde, und Sie wollen mir nicht mal …«
»Ich habe Sie doch nicht darum gebeten«, sagte Max und hätte es am liebsten sofort wieder zurückgenommen. Ziemlich arschig, so was zu sagen.
»Natürlich, Sie haben mich nicht darum gebeten«, fauchte Chantale. Dann wurde ihr Tonfall wieder weicher. »Ich hatte
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