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Vor dem Fest

Vor dem Fest

Titel: Vor dem Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saša Stanišic
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alle haben es gethan. Lutz hat sie zu den verporgen Geng unter Erden gebracht, einst von zwey Dieben ausgehoben, darüber sie in Keller gedrungen und Vorräthe geraubet. Darinnen könnte man hier bleiben, ohne hier zu sein, bis die Gefar vorüber were.
    Das Volck hat Besitz und Narung hinunter geschaffet, Hühner, ein Kalb gar. Die Hunde haben gebollen und wurden zurückgelassen. In langer Reihe ist das Dorf unter der Erde geseßen, und die Erde ist kalt gewesen, und als ein Huhn behäglich zu kackeln begann, hat der Hufschmidt Barth ihm den Hals umbdreht, und niemand sprach ein Wort.
    Der alte Lutz war oben geblieben. Er thats nicht für sich. Eine junge Frau hat sich nicht verstecken mögen, sondern hat sich postirt mit einem geladen Armbrust auff der Mauer, wie umb den Feind abzuwehren. Lutz kannte sie nicht. Erst vor Tagen war sie eingetroffen, im Felde verwundt und von ihrem Regimente separirt. Man hat sie versorgt und verpflegt, und jetzt wollte sie sich verdanken dafür.
    Unterhalb der Mauer hat der alte Lutz getrunken und auff die junge Frau geschielet. Sie zitterte, das Armbrust in der Armbeuge wie ein Kind. Deß Alten Bedenken, die meisten hetten doch ein gutes Versteck, hat sie ohne viel Wort abgethan. Hielt schweigsam Wache gegen den unsichtbarn Feind in der Wehrtracht der Nacht. Schon trug der Wind den rauchig Geruch des Todtes heran, Feuer und Schreye in der Dunkelheit. Die Schar nahte über die Felder.
    Einen Namen hatte Lutz erfahren: Anna.

WER SCHREIBT DIE ALTEN GESCHICHTEN? Wer errichtet dem Schrecken ein Denkmal? Wer zieht mit der Harke die Rillen zum Säen der Saat?
    Wer verrät uns, was wir wissen sollten?
    Wer verrät uns, was wir wissen?
    Wer verrät uns was? Wir.
    Wer verrät uns was?
    Wer verrät uns?
    Wer verrät?
    Wer?
    Und ein Feuer kommt, und alles ist weg, alles.
    Wer schreibt das Feuer auf?
    Sagen wir, da steht eine junge Frau auf einer Stadtmauer, und sie ist bewaffnet. Sagen wir nicht »steht«. Sagen wir, »tritt frierend auf der Stelle«. Damit ist gleich auch das Wetter erzählt, und wenn jemand auf der Stelle tritt, hat man das Gefühl, dass Zeit vergeht. Sagen wir statt »bewaffnet«: »In der Armbeuge eine Armbrust.« Ist schöner. Und vor ihr der Feind in der Uniform der Nacht. Uniform der Nacht!
    Helden brauchen Namen. Nennen wir sie Anna.
    Unterhalb der Mauer sagt der alte Lutz: »Anna, eines quält mich in dieser Stunde. Noch nie hab ich zärtliche Worte gesprochen und sie gemeint.«
    Ja, wie? Was soll das jetzt heißen? Keine Ahnung, steht so geschrieben. Es tut doch gut, die raue Stimme des alten Kriegers zu hören. Er trinkt Bier, lehnt vielleicht an einer rostigen Hellebarde. Das Mädchen aber schweigt. So ein aberwitziger Satz, und nichts kommt zurück? Nein, der Feind rückt jetzt an. »Eine Bewegung«, ruft Anna und lädt den Bolzen auf die Armbrust. »Sie kommen!«
    Der alte Lutz warnt Anna, sie soll nicht schießen. »Mädchen, leg die Waffe nieder, komm herunter.« Auf die Entfernung und im Dunkeln trifft sie doch eh nichts. Und wenn: Diesen Kampf kann sie nicht gewinnen. Es kommen Dutzende und sie ist allein. »Es reicht mit dem Heldentum. Geh, Mädchen, zu den anderen, verschwind. Du kannst noch zärtlich im Leben sein, geh, Anna, verschwind!«
    Wer schreibt die alten Geschichten? Wer entscheidet, wen der Bolzen trifft? Bolzen? Die hatten da doch alle schon Musketen. Anna hat eine Armbrust, Punkt. Sie zielt, sie schießt. Der erste Bolzen trifft den Anführer der Rotte ins linke Auge, durchbohrt sein Hirn und macht ihn auf der Stelle tot. Den zweiten, Träger einer Fahne, darauf kein Wappen, nur trocken Blut, trifft sie ins rechte Auge und macht ihn auf der Stelle tot. So schnell um diese zwei gebracht, ziehen sich die Angreifer zurück.
    David gegen Goliath. Naja. Gefällt uns nicht. Wieso? Warum versteckt der Lutz die Leute? Es wäre viel spannender, wenn die wirklich in Gefahr wären. Außerdem geht alles viel zu glatt. Was, wenn einer dazukommt? Zum Beispiel einer aus dem Dorf, der glaubt, Anna sei eine Verräterin. Eine aus der Rotte. Die sich reingeschmuggelt hat, um auszukundschaften, ob ein Überfall sich lohnt, ob das Dorf sich wehren kann und so weiter. Sagen wir, der Bürgermeister. Der Schulze. Ja, der. Er verlangt, dass Anna die Armbrust ablegt und runterkommt. Gut, aber wenn sie wirklich eine Verräterin ist, dann braucht der Schulze eine Waffe, sonst schießt sie auf ihn. Okay. Er hat eine … Radschlosspistole. Was ist das denn? GEO Epoche

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