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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zukamen. Sie war dankbar dafür gewesen, von ihrer Arbeit und der neuen Wohnung so stark in Anspruch genommen zu sein, daß sie gar keine Möglichkeit hatte, in die erschütternden Erinnerungen zu versinken. Wichtiger war doch das Zusammensein mit Stefan Lindman gewesen. Sie hatten angefangen, sich in ihrer Freizeit zu treffen, und irgendwann Mitte Oktober hatte Linda erkannt, daß sie nicht die einzige war, die sich verliebt hatte. Jetzt, wo sie hier stand und das Mädchen auf dem Dach zu erkennen suchte, das sich entschlossen hatte zu leben, war ihr, als sei der Augenblick gekommen, mit dem, was geschehen war, persönlich abzuschließen.
    Linda trampelte mit den Füßen, um sie warm zu halten, und blickte hinauf zum Dach. Hatte Maria es sich anders überlegt? Sundin murmelte, daß es noch eine Minute sei. Dann war die Zeit um. Die Leiter wurde zum Dach hochgefahren. Zwei Feuerwehrleute halfen dem Mädchen hinunter, ein dritter holte das Gewehr. Linda hatte Sundin und den anderen gesagt, was sie dem Mädchen versprochen hatte, und sie bestand darauf, daß sie ihr Versprechen einhalten konnte. Deshalb wartete sie allein am Fuß der Leiter, als das Mädchen herunterkam. Linda nahm sie in den Arm, und plötzlich brachen beide in heftiges Weinen aus. Linda hatte das seltsame Gefühl, hier zu stehen und sich selbst zu umarmen. Was sie vielleicht auch tat.
    Ein Krankenwagen stand bereit. Sie begleitete Maria zum Wagen und sah ihm nach, als er davonfuhr. Es knirschte unter den Reifen. Der Frost war da, sie hatten schon Minusgrade. Die Polizisten, der alte Pastor, die Feuerwehrmänner, alle kamen zu ihr und gaben ihr die Hand.
    Linda und Ekman blieben zurück, bis die Feuerwehrautos, die Polizisten, die Absperrungen und die Neugierigen verschwunden waren. Da kam ein Funkruf, daß auf Österleden ein vermutlich betrunkener Autofahrer gesichtet worden sei. Ekman startete den Motor. Sie fuhren los. Linda verwünschte den Kerl. Am liebsten wäre sie zum Polizeipräsidium gefahren, um einfach nur Kaffee zu trinken.
    Doch das mußte warten. Das, wie so vieles andere. Sie beugte sich zu Ekman hinüber, um auf die Anzeige für die Außentemperatur zu sehen.
    Minus drei Grad. Der Herbst in Schonen war dem Winter gewichen.

NACHWORT
    Eine Person hat in entscheidender Weise zur Entstehung dieses Buches beigetragen. Ihrem Wunsch folgend, nenne ich ihren Namen nicht. Ich sage nur, daß es sich um eine junge Polizistin handelt, die in Mittelschweden arbeitet. Ich danke ihr für ihre Geduld und ihre klugen Gedanken.
    Dies ist ein Roman. Das bedeutet, daß ich mir Freiheiten genommen habe. Zum Beispiel habe ich die Telefonzentrale im Polizeipräsidium in Ystad mit Tonbandgeräten ausgestattet, die sämtliche eingehenden Anrufe aufzeichnen. Bald sollen sie auch in der Wirklichkeit existieren.
    Henning Mankell Mai 2002

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