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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Warum hatte Erik Westin sie mit Anna und Zebra im selben Raum allein gelassen? Gab es einen Plan
hinter
dem Plan, den sie nicht verstand? »Du willst doch nicht sagen, daß du mit in dieser Sache drinsteckst?« sagte Linda.
    »Mein Vater ist zurückgekommen. Er hat mir eine Hoffnung zurückgegeben, die ich verloren hatte.«
    »Was für eine Hoffnung?«
    »Daß das Leben einen Sinn hat, daß Gott uns einen Sinn gegeben hat.«
    Das stimmt nicht, dachte Linda. Jetzt sah sie in Annas Augen das gleiche wie in Zebras: Angst. Anna hatte den Körper und den Kopf so gedreht, daß sie die Tür im Auge behielt. Sie hat Angst, daß die Tür aufgeht, dachte Linda. Sie hat entsetzliche Angst vor ihrem Vater. »Womit droht er dir?« fragte sie leise, fast flüsternd.
    »Er droht mir nicht.«
    Anna hatte jetzt auch angefangen zu flüstern. Das konnte nur bedeuten, daß sie lauschte, dachte Linda.
    Das gab ihr eine Möglichkeit. »Hör jetzt auf zu lügen. Wir können alle aus dieser Sache herauskommen, wenn du aufhörst zu lügen.«
    »Ich lüge nicht.«
    Linda wußte, daß die Zeit knapp war. Sie ließ sich auf keine Diskussion mit Anna ein. Wenn sie auf eine Frage nicht antworten wollte oder wenn die Antwort eine Lüge war, mußte Linda einfach weitergehen. »Du kannst glauben, was du willst, aber du darfst dich nicht mitschuldig daran machen, daß Menschen ermordet werden. Begreifst du nicht, was du da tust?«
    »Mein Vater ist zurückgekommen, um mich zu holen. Eine große Aufgabe wartet auf mich.«
    »Ich weiß, was für eine Aufgabe es ist, von der du redest. Willst du wirklich, daß noch mehr Menschen sterben, daß noch mehr Kirchen brennen?«
    Linda sah, daß Anna dem Zusammenbruch nahe war. Jetzt durfte sie nicht nachlassen, mußte weitermachen. »Und wenn Zebra hingerichtet wird, dann wirst du immer das Gesicht ihres Sohns vor Augen haben, und das ist eine Anklage, der du nie entkommen kannst. Willst du das?«
    Ein Schlüssel drehte sich in der Tür. Linda bekam Angst. Jetzt war es zu spät. Aber im letzten Moment, bevor die Tür aufging, zog Anna die Hand aus der Tasche und steckte Linda ein Handy zu.
    Erik Westin stand in der Tür. »Hast du Abschied genommen?« fragte er.
    »Ja«, antwortete Anna. »Ich habe Abschied genommen.« Erik Westin strich ihr mit den Fingerspitzen über die Stirn. Er wandte sich Zebra zu und dann Linda. »Eine Weile noch. Noch eine Stunde.«
    Zebra stürzte plötzlich zur Tür. Linda packte sie und drückte sie auf den Stuhl. Sie hielt sie fest, bis Zebra sich beruhigt hatte. »Ich habe jetzt ein Telefon«, sagte Linda. »Wir kommen hier raus, wenn du nur da sitzen bleibst und wartest.«
    »Sie werden mich umbringen.«
    Linda drückte die Hand auf Zebras Mund.
    »Wenn ich das hier schaffen soll, mußt du mir helfen und still sein.«
    Zebra gehorchte. Linda zitterte so, daß sie zweimal die falsche Nummer eintippte. Ein Klingeln nach dem anderen ertönte, ohne daß ihr Vater antwortete. Sie wollte schon den Ausknopf drücken, als sich doch jemand meldete. Er war es. Als er ihre Stimme hörte, begann er zu brüllen. Wo war sie denn? Begriff sie nicht, welche Sorgen sie sich machten?
    »Wir haben keine Zeit jetzt«, zischte sie. »Hör zu.«
    »Wo bist du?«
    »Hör zu. Sei still.«
    Sie erzählte, was passiert war, nachdem sie einen Zettel geschrieben und auf seinen Schreibtisch gelegt und das Präsidium verlassen hatte.
    Er unterbrach sie. »Ich habe keinen Zettel gesehen, obwohl ich die ganze Nacht hier war und gewartet habe, daß du anrufst.«
    »Dann ist er wohl weggekommen. Wir haben keine Zeit, hör zu jetzt.«
    Sie war dem Weinen nahe. Da unterbrach er sie nicht mehr. Sie konnte ausreden. Er atmete schwer, jeder Atemzug war wie eine schwierige Frage, auf die er eine Antwort finden, für die er einen entscheidenden Beschluß fassen mußte.
    »Ist das alles wahr?«
    »Jedes Wort. Ich habe gehört, was er sagte.« »Es sind also vollkommen Wahnsinnige«, sagte er empört.
    »Nein«, widersprach Linda. »Es ist etwas anderes. Sie glauben an das, was sie tun. Für sie ist es kein Wahnsinn.«
    »Egal, was es ist, wir alarmieren alle Domstädte«, erwiderte er erregt. »Ich glaube, wir haben fünfzehn Dome in Schweden.«
    »Sie redeten die ganze Zeit von dreizehn«, sagte Linda. »Dreizehn Türme. Der dreizehnte Turm war der letzte und sollte bedeuten, daß der große Reinigungsprozeß begonnen hat. Was das heißen soll, weiß ich nicht.«
    »Du weißt also nicht, wo du bist?«
    »Nein. Ich bin

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