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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ziemlich sicher, daß wir durch Ystad gefahren sind, es paßte mit den Rondellen. Wir können aber nicht ganz bis Malmö gefahren sein.«
    »Welche Himmelsrichtung?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ist dir etwas anderes aufgefallen, als du im Auto fuhrst?«
    »Die Straßenbeläge wechselten, Asphalt, Schotter, manchmal reine Viehwege.«
    »Seid ihr über Brücken gefahren?«
    Sie dachte nach. »Ich glaube nicht.«
    »Hast du Geräusche gehört?«
    Sie kam sofort darauf.
Die Flugzeuge.
Sie hatte mehrere gehört. »Ich habe Flugzeuge gehört. Eins war in der Nähe.«
    »Was meinst du mit in der Nähe?«
    »Es hörte sich an, als sei es gelandet. Oder vielleicht gerade gestartet.«
    »Warte«, sagte ihr Vater.
    Er rief etwas neben dem Telefon. »Wir holen eine Karte«, sagte er, als er wieder zurückkam. »Hörst du im Moment ein Flugzeug?«
    »Nein.«
    »Hörten sie sich wie große Flugzeuge an oder wie kleine?«
    »Wie Düsenmaschinen. Große Flugzeuge.«
    »Dann muß es Sturup sein.«
    Papier raschelte. Linda hörte, wie ihr Vater zu jemandem sagte, er solle die Fluglotsen auf dem Tower in Sturup anrufen.
    »Wir haben jetzt eine Karte hier. Hörst du etwas?«
    »Flugzeuge? Nein, nichts.«
    »Kannst du genauer beschreiben, wo du dich im Verhältnis zu den Flugzeugen befindest?«
    »Liegt ein Kirchturm im Osten oder im Westen?«
    »Wie soll ich das denn wissen?«
    Er rief Martinsson, der antwortete. »Der Turm liegt im Westen, der Chor im Osten. Es hat mit der Wiederauferstehung zu tun.«
    »Die Flugzeuge sind von Süden gekommen. Wenn ich nach Osten sehe, dann sind sie von Süden gekommen und nach Norden geflogen. Oder vielleicht Nordwesten. Sie sind fast genau über diese Kirche geflogen.«
    Es murmelte und schnarrte am anderen Ende der Leitung. Linda fühlte, wie ihr der Schweiß am Rücken hinunterlief. Zebra saß apathisch da und wiegte den Kopf in den Händen.
    Lindas Vater kam wieder. »Du wirst jetzt mit einem Fluglotsen auf Sturup verbunden, er heißt Janne Lundwall. Ich höre alles, was ihr sagt, und unterbreche euch vielleicht. Verstehst du, was ich sage?«
    »Ich höre. Ich bin nicht dumm. Aber ihr müßt euch beeilen.«
    Seine Stimme bebte, als er antwortete. »Ich weiß. Aber wir können nichts machen, wenn wir nicht wissen, wo ihr seid.«
    Janne Lundwall kam ans Telefon. »Na, dann wollen wir mal sehen, ob wir rausfinden können, wo du steckst«, sagte er munter. »Hörst du im Augenblick ein Flugzeug?«
    Linda fragte sich, was ihr Vater ihm erzählt hatte. Der lockere Ton des Fluglotsen verstärkte nur ihre Angst. »Ich höre nichts.«
    »Wir haben eine KLM-Maschine im Anflug. In fünf Minuten. Sobald du sie hörst, rufst du.«
    Die Minuten verstrichen unendlich langsam. Schließlich hörte sie jedoch das schwache Geräusch eines Flugzeugs, das näher kam. »Ich höre sie.«
    »Siehst du genau nach Osten?«
    »Ja. Die Maschine kommt von rechts.«
    »Das stimmt. Sag Bescheid, wenn das Flugzeug sich genau über deinem Kopf befindet, oder genau vor dir.«
    Es rasselte an der Tür. Linda beendete das Gespräch, schaltete das Handy aus und steckte es in die Tasche. Torgeir Langaas kam herein. Er stand stumm da und sah sie an. Dann ging er wieder, ohne ein einziges Wort gesagt zu haben. Zebra saß zusammengekauert in ihrer Ecke. Erst als er gegangen war und die Tür zugeschlagen hatte, merkte Linda, daß die Maschine schon vorbeigeflogen war.
    Sie wählte die Nummer ihres Vaters wieder. Er meldete sich mit erregter Stimme. Er hat genausoviel Angst wie ich, dachte Linda. Genausoviel Angst, und er weiß genausowenig, wo ich bin, wie ich selbst. Wir können miteinander sprechen, aber wir können uns nicht finden.
    »Was war los?«
    »Es ist jemand hereingekommen. Dieser Torgeir Langaas. Ich mußte ausmachen.«
    »Herrgott. Rede weiter mit Lundwall.«
    Das nächste Flugzeug kam nach vier Minuten. Janne Lundwall zufolge war es eine Chartermaschine aus Las Palmas, die vierzehn Stunden Verspätung hatte. »Eine Ansammlung stocksaurer Passagiere im Landeanflug«, sagte er zufrieden. »Manchmal ist es schön, in einem Turm zu sitzen und völlig isoliert zu sein. Hörst du etwas?«
    Linda rief, als das Geräusch des Flugzeugs an ihr Ohr drang.
    »Dasselbe wie eben. Ruf, wenn du sie über dir oder vor dir hast.«
    Die Maschine näherte sich. Gleichzeitig begann das Handy zu piepen. Linda schaute aufs Display. Die Batterie ging zu Ende.
    »Die Batterie ist gleich leer«, sagte sie.
    »Wir müssen wissen, wo du bist«, rief ihr

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