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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Engländer. Kommen frisch verheiratet nach Sydney. Mieten ein Wohnmobil. Fahren die Ostküste hoch. Byron. Die Goldküste. Cairns. Das Übliche. Dann rüber nach Darwin. Dort bleiben sie eine Woche, dann machen sie sich zum großen Felsen auf, zum Uluru. Circa hundert Kilometer hinter Pine Creek halten sie am Straßenrand, um sich den Sonnenuntergang anzuschauen. Trinken ein bisschen Rum. Ziehen ein paar Joints durch. Am Ende sind sie beide hackedicht. Sie sehen ein, dass ein Weiterfahren nicht mehr in Frage kommt, und beschließen einfach an Ort und Stelle zu bleiben und unter dem Sternenzelt zu schlafen. Gegen zwei Uhr nachts kommt plötzlich Besuch. Der fesselt Greg. Greift sich Dianna. Am nächsten Morgen kann Greg sich befreien. Er fährt zurück nach Pine Creek. Etliche Wertgegenstände aus dem Wohnmobil fehlen. Einige davon geben wir bekannt. Eine Woche darauf meldet sich ein Mechaniker aus Katherine am Telefon. Er sagt, er hätte den Rucksack in einem Land Cruiser gesehen, den er repariert hat. Die Karre gehört einem gewissen Evan Dale Gardner. Der hat eine mächtig dicke Akte, wenn auch zum größten Teil Eigentumsdelikte. Wir knöpfen ihn uns vor. Eine verdammt harte Nuss. Streitet alles kategorisch ab. Trotzdem erheben
wir Anklage. Es gibt keine Leiche. Alles, was wir haben, sind Indizien. Wir verlieren. Gardner kommt frei.«
    »Ich glaube, ich habe ihn neulich erst gesehen«, sagte Bev und schüttelte sich unwillkürlich.
    Dusty hatte ihn ebenfalls kürzlich gesehen. Sie hatte auf dem Markt von Parap bei einer Som-Tum-Verkäuferin angestanden, als er in seinem üblichen King-Gee -Khaki-Overall an ihr vorbeispazierte. Die fortdauernde Beobachtung durch die Polizei, oder die, um mit den Worten seines Anwalts Stan Lavery zu sprechen, »noch nie da gewesene Schikanierung meines Mandanten«, hatte zur Folge, dass er seinem angestammten Erwerbszweig, landesweite Drogenkurierdienste, nicht länger nachgehen konnte. Er war nach Howard Springs, dreißig Kilometer außerhalb von Darwin, gezogen, wo er einem konventionelleren Job nachging. Er war »erwerbsmäßig in der Mangoindustrie beschäftigt«. Und trotzdem glaubte sie zunächst an eine Sinnestäuschung, hätte sie ihm doch nicht zugetraut, dass er wirklich die Frechheit besaß, hier am helllichten Tag herumzuspazieren, nicht nach all der öffentlichen Stimmungsmache gegen ihn - die NT News hatte seine widerliche Fratze praktisch jeden Tag abgedruckt, bis sie vor lauter Unausweichlichkeit etwas richtiggehend Krokodilhaftes bekam. Aber er war es - die herabhängenden Schultern, die leicht abstehenden Ohren, das gemeine, kantige Gesicht.
    »Es geht etwas absolut Böses von ihm aus«, fand Bev.
    Nun war Dusty an der Reihe, neue Getränke zu holen. Auf dem Weg zur Bar verschaffte sie sich schon einmal einen Überblick über die Wartenden - zuerst war der Glatzkopf mit dem knallbunten Hemd an der Reihe, dann der Büromensch mit dem schnuckeligen Hintern, dann sie. Als der Büromensch mit seinen Gläsern davonzuckelte, sah Dusty
ihm und seinem Kapital noch ein Weilchen nach, war sie doch sicher, dass der Barmann sie als Nächstes bedienen würde. Als sie sich jedoch wieder der Bar zuwandte, musste sie feststellen, dass ein breitschultriger Mensch sich vorgedrängelt hatte.
    »Verzeihung«, sagte Dusty. »Aber ich fürchte, ich bin vor Ihnen dran.«
    Der Drängler drehte sich um und sah sie an. Dusty erkannte ihn sofort. Man konnte in Darwin unmöglich Australian-Football-Fan sein und Trigger Tregenza nicht kennen. Er hatte ein paar Spiele als Verteidiger für die Sydney Swans absolviert, dann war er nach Darwin gegangen und hatte sich als Stürmer völlig neu erfunden. Wie ein auf dem Hinterhof zusammengeflicktes Auto, so war auch seine Erscheinung nicht ganz ohne Dellen und Macken: Die Nase machte zweimal einen scharfen Knick, bevor sie mehr oder weniger in die Vertikale zurückkehrte, und die Wangenknochen wollten nicht zueinanderpassen. Das verlieh ihm einen rauen Charme, der von seiner Frisur noch gesteigert wurde. Es war die Mähne eines Jugendlichen, strohblond und dicht und für eine Frau geradezu die Aufforderung, darin herumzuwuscheln. Auch hatte er nicht zugenommen, das Poloshirt steckte im Bund seiner Shorts, und er hatte noch immer wohlproportionierte Sportlerbeine. Dusty hatte auf einer Meisterschaftsfete einmal ziemlich heftig mit ihm geflirtet - sogar das Jahr wusste sie noch: 1998, die Adelaide Crows hatten eben zum zweiten Mal die Meisterflagge

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