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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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durch das Lager.
    Die Kantine bestand aus einem Wellblechdach zwischen jungen Bäumen und hatte einen gemauerten Fußboden. Nicht anders die Toilette, oder Latrine, wie Tank sie nannte. An die zwanzig Zweimannzelte standen in sauberer Formation, einige mit einer Plane über A-Rahmen und seitlichen Moskitonetzen. Drei Multi-Tanks speicherten Wasser. Ein Dieselgenerator lieferte Strom.
    Trigger war beeindruckt - kein Wunder, dass die Regierung diese Veteranen anhörte. Es gab ein paar wenige Frauen, von denen aber offenbar keine alleinstehend oder gar vom Gewerbe war. Allmählich bekam Trigger ein richtig gutes Gefühl - hier herrschte eine gewaltige Nachfrage, und er hatte die Ware. Über einen Trampelpfad führte Tank ihn vom eigentlichen Lager weg und durch ein Feld von Termitenhügeln. Trigger war jetzt seit zehn Jahren im Top End, hatte schon zuvor Termitenhügel gesehen. Aber nicht solche - sie waren riesig. Hässlich.
    »Wahnsinn, die Termiten, was?«, sagte Trigger.
    »Wahnsinn, die Termiten«, pflichtete Tank bei.
    Das Licht war hier nicht gut, aber Trigger konnte ein altertümliches Armeezelt ausmachen.

    »Da drin kann die kleine Lady sich einrichten«, sagte Tank.
    Trigger warf einen Blick hinein - eine dünne Matratze, ein zerlöchertes Laken und ein Gestank, der die Toten nicht nur aufgeweckt, sondern ihnen auch für Jahre Alpträume beschert hätte.
    »Scheiße!«, rief Trigger und machte rasch ein paar Schritte rückwärts.
    »Entkontaminierungszelt«, erläuterte Tank. »Da laden wir unsere Junkies ab.«
    Trigger hatte mit der Idee gespielt, selbst den Reigen zu eröffnen, die Ware quasi zu testen, aber so kam das definitiv nicht in Frage. Nicht da drin.
    »Was meinst du, sollen wir dreiundzwanzig-nullnull loslegen?«, schlug Tank mit einem Blick auf die Uhr vor.
    Trigger musste lächeln - damals in Sydney hatte Tank Vietnam nie auch nur mit einer Silbe erwähnt, ja er hatte überhaupt nur zwei Gesprächsthemen gekannt: Football und Ficken. Mittlerweile hatte er sich aber anscheinend voll auf den Soldatenjargon verlegt.
    »Kein Problem«, antwortete Trigger. »Bloß eins noch. Das ist auch wirklich abgesprochen, oder? Also, der Boss hat sein Okay gegeben?«
    Tank zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Hier gibt’s nur Indianer, Mann. Keine Häuptlinge.«
     
    Nummer zwei Noi schlief noch. Trigger stupste sie vorsichtig an, und sie schreckte mit weit aufgerissenen Augen aus dem Schlaf.
    »Noi, alles in Ordnung, ich bin’s nur, Trigger.«
    »Ich übel«, sagte sie, und Trigger konnte sehen, dass das nicht gelogen war.

    »Nimm was von der Medizin«, riet er, als ihm Nois Fläschchen wieder einfiel.
    Das tat sie denn auch und spülte mit einem Schluck von dem Cola nach, das Trigger ihr spendiert hatte.
    Er gab ihr eine Bratwurst in einem Brötchen.
    »Danke sehr«, sagte sie und lächelte.
    Also kann sie doch Englisch, überlegte Trigger.
    Sie aß wie ein Spätzchen, pickte sich nur mit den Fingerspitzen Brötchenkügelchen heraus.
    »Seit wann Noi in Australien?«, fragte Trigger und betonte jede Silbe einzeln.
    »Drei Mond«, sagte sie.
    »Australien schön?«
    »Viel Känguru«, sagte Noi und lächelte wieder.
    Dreckskängurus! Auf der Herfahrt wären sie fast in ein paar reingefahren.
    Nun war Noi an der Reihe, Fragen zu stellen. »Du Frau?«
    Trigger lächelte. Theoretisch, ja. Praktisch, nein. Und zwei Kinder durchzufüttern. Aber Nois Englisch reichte wahrscheinlich kaum aus, um seinen verzwickten Familienstand nachzuvollziehen.
    »Nein«, sagte er einfach. »Nix verheiratet.«
    »Du heiraten Noi.«
    Das Angebot kam derart unerwartet, dass es Triggers Abwehrmechanismen unterlief. Einen Moment lang dachte er ernsthaft darüber nach. Noi heiraten. Einfach hier wegfahren, links auf den Track und ab nach Süden. Noi wäre gerettet. Und wahrscheinlich würde er damit auch sich selbst retten. Er blickte ihr ins Gesicht, und er sah die Hoffnung darin. Es wäre das Anständigste, was er je getan hatte. Was er je tun würde.

    »Also los, an die Arbeit«, sagte er.
    Er brauchte Geld. Sie brauchte Geld. So einfach war das. Er zeigte Noi das Zelt, und sie sagte nichts. Als sie gerade hineinkriechen wollte, hielt er sie auf. »Verhütung. Noi hat Kondom? Gummi?«
    »Noi haben.«
    Also doch nicht ganz unschuldig, dachte Trig. Verdammt clever, diese Mädels, da muss man als Kerl schon höllisch aufpassen. Er stellte sich mit dem Rücken zu einem Termitenhügel auf und wartete. Schlurfende Schritte wurden laut,

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