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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Sachen Liebeserklärung, Zuneigungs- oder Sympathiebekundung gewesen, und beide waren über ein halb spöttisches »Bist schon okay, so wie du bist« oder »Das passt schon mit dir« nicht hinausgekommen. »Billige Gefühlsduselei«, hatte James das genannt, aber nun fragte sie sich, ob es nicht vielmehr eine Frage der Macht
gewesen war - sich ein tiefer gehendes Gefühl einzugestehen hätte bedeutet, eine Schwäche zuzugeben.
    »Weißt du was, ich mag dich«, wiederholte sie, diesmal lauter, nachdrücklicher.
    Piep! Piep! Piep!
    Dustys Handy hatte wieder ein Netz.
    Tomasz schreckte aus dem Schlaf hoch. » Wo bin ich ? Wo bin ich ?«, fragte er auf Deutsch und mit Panik in der Stimme.
    »Alles in Ordnung«, sagte Dusty und drückte ihm die Hand. »Kennst du mich noch?«
    Tomasz lächelte. »Ja. Geht schon wieder. Ich hatte einen Alptraum. Das arme Mädchen, weißt du?«
    »Ich weiß«, sagte Dusty.
    »Kannst du mich auf dem Laufenden halten?«
    »Natürlich«, erwiderte Dusty, und dann schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Auch wenn sie in ihm in erster Linie den Touristen sah, war Tomasz doch Polizist wie sie, mit einem begrenzten Kontingent an Urlaubstagen und einer Dienststelle, zu der er zurückkehren musste.
    »Wann fliegst du wieder nach Deutschland?«
    »Heute ist der sechste?«
    »Nein. Es müsste schon der siebte sein«, sagte Dusty und warf einen Blick aufs Handy. »Genau, der siebte.«
    »Mist. Morgen fliege ich heim.«
    »Wann?«
    »Zehn Uhr vormittags.«
    »Verdammt!«, sagte Dusty.
    Sie mochte ihn, und er haute ab. Geschieht dir recht, was musst du die Leute auch gernhaben, tadelte sich Dusty. Aber da war noch ein Problem. Sie hatte vorgehabt, zum Billabong zurückzufahren, sobald sie die Zentrale verständigt
hätte. Das war nun ausgeschlossen. Sie konnte Tomasz nicht mitnehmen.
    Dusty hielt am Straßenrand, wählte und ließ sich zum diensthabenden Sergeant durchstellen.
    »Sergeant Kirk«, lautete die mürrische Begrüßung.
    »Mann, Kirky, was machst du denn am Wochenende im Büro?«
    »Bin der letzte Mann an Bord. Alle anderen sind in der McVeigh-Geschichte unterwegs.«
    »Ich hab die Leiche im Billabong gefunden«, berichtete Dusty so beiläufig wie möglich.
    »Jimmys Schlitzauge?«
    »Die vermisste Asiatin, richtig.« Dusty hatte das Bedürfnis, sie zu beschützen. »Ich brauche hier so schnell es geht ein Spurensicherungsteam.«
    »Vergiss es.«
    »Komm mir nicht so.«
    »Ich hab’s dir doch gesagt, alle arbeiten an der McVeigh-Sache.«
    »Bist du bereit, dich ein paar fiesen Fragen zu stellen, Kirky?«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Na zum Beispiel, wieso du den ganzen Weg bis da rausgefahren und trotzdem mit leeren Händen zurückgekommen bist.«
    »Ich? ›Wir‹ muss das ja wohl heißen.«
    »Ja, nur bin ich noch mal zurückgefahren. Ich hab mich rehabilitiert, Kirky.«
    Kirky rülpste. Ob das eher seiner schlechten Verdauung oder der nicht minder miserablen Laune zuzuschreiben war, kümmerte Dusty nicht.

    »Du bist echt zum Kotzen«, stellte er fest.
    »Lass dir einfach was einfallen, Großer«, sagte Dusty.
    Ein Klicken, und sie hing in der Warteschleife und ließ sich von Norah Jones berieseln. Hoch am Himmel kreisten schreiend zwei Milane, die es Tomasz angetan hatten.
    »Kann ich ein Foto machen?«, fragte er, die Kamera schon in der Hand.
    »Das ist ein freies Land«, entgegnete Dusty.
    Tomasz lächelte und machte die Tür auf.
    Der Sergeant brauchte drei Songs, bis er Dusty erlöste.
    »John packt am McVeigh-Tatort gerade ein. Er müsste in weniger als zwei Stunden bei dir sein.«
    »Na siehst du, das war doch gar nicht so schwer.«
    Dusty überlegte, was als Nächstes zu tun sei. Sie könnte Tomasz hier aussetzen und ihn nach Darwin trampen lassen. Sie sah zu ihm hin, wie er sich ganz auf den Himmel konzentrierte. Sein einstmals weißes T-Shirt war schweißgetränkt, die khakifarbenen Shorts voller Schlamm. Wie standen die Chancen, an einem so einsamen Stück Straße mitgenommen zu werden? Wie zur Bestätigung stieß einer der Milane einen klagenden Schrei aus. Nein, sie konnte ihn hier nicht sitzenlassen.
    »Auf geht’s, Tomasz, steig wieder ein.«
    Nach einer Stunde erreichten sie eine Fernfahrerraststätte. In der Luft lag der offenbar unvermeidliche Geruch von fettigem Essen; an den Plastiktischen hockten die Fahrer und sahen sich im Apparat an der Wand Australiens lustigste Heimvideos an.
    Dusty zückte die Dienstmarke. »Einer von euch müsste mir kurz’nen Gefallen

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