Vor dem Regen - Roman
tun.«
Es war ein schwieriger Abschied auf dem Lastwagenparkplatz,
zwischen Dieselschwaden und unter den Augen des Fahrers, der endlich weiterkommen wollte.
Keusch umarmten sie sich.
»Meld dich mal«, sagte Dusty.
»Mach ich«, versprach Tomasz und kletterte ins Führerhaus.
Erst als der Laster auf dem Track immer kleiner wurde, fiel ihr auf, dass sie nicht mal seine Telefonnummer hatte.
26
Im Gerichtssaal zu sitzen und mitanzusehen, wie das Schwein Gardner einfach freigesprochen wurde, war das Schlimmste, was John Goode je erleben musste. Nie würde er den Ausdruck auf den Gesichtern der Hinterbliebenen von Dianna McVeigh vergessen, vor allem den der Mutter nicht. Er hatte versagt. Er und die anderen. Und eine zweite Chance bekam man in diesem Metier nicht oft. Ganze neun Jahre war er jetzt bei der Spurensicherung, und endlich tat sich eine auf. Da würde er keinen Fehler begehen. Er ließ bei jeder Probe außerordentliche Sorgfalt walten, wechselte häufig die Einmalhandschuhe, versiegelte jeden Beutel und kontrollierte wieder und wieder die Beschriftungen. Es sah vielversprechend aus: Da war Blut, das von Gardner stammen könnte, es gab Haare, die von Gardner stammen könnten. Es sah gut aus.
»Könnten auch von dem alten Knacker stammen«, merkte ein Polizist an, der noch grün hinter den Ohren war.
»Glaub ich nicht«, erwiderte John.
Der alte Knacker hatte alles richtig gemacht.
»Es hat einfach anders ausgeschaut, wisst ihr«, hatte er
der Polizei gesagt. »Wenn man sein ganzes Leben lang hier draußen in den Dreck starrt und nach Edelsteinen sucht, dann merkt man’s, wenn irgendwo jemand rumgemacht hat.«
Er hatte die Stelle auf seiner Karte markiert und war aufs nächste Polizeirevier gefahren. Wenn doch nur alle einen Tatort mit solcher Umsicht behandeln würden, seufzte John innerlich. Vor allem die Polizei.
John verpackte und beschriftete das letzte Beweisstück - ein leeres Kaugummipäckchen - und sah auf die Uhr. 15.20. Anpfiff war um acht. Zum ersten Mal seit dem Anruf - »Dianna McVeigh ist gefunden worden« - konnte er sich entspannen. Er würde es doch noch zum Basketballspiel seines fünfzehnjährigen Sohnes schaffen, wie er es ihm schon zu Beginn der Spielzeit versprochen hatte.
Plötzlich stand der untersetzte Senior Sergeant Barry am Absperrband. Er war seit dreißig Jahren bei der Truppe und hatte eines dieser emotionslosen »Alles schon mal gesehen«-Gesichter.
»Junge, das wird dir gar nicht gefallen«, warnte er schroff.
»Sag jetzt nicht, dass es noch einen Einsatz gibt«, erwiderte John.
»Leider doch. Eine Leiche.«
»Darwin?«, fragte John hoffnungsvoll.
»Pech gehabt. Die Gegend nennt sich … tja, ich weiß gar nicht, ob’s da überhaupt einen Namen für gibt. Ist ganz in der Nähe von diesem Veteranenlager. Den Track hoch und dann nach Osten, Richtung Kakadu. Ich hab’s dir auf der Karte eingezeichnet.«
Im Transporter rief John seinen Sohn auf dem Handy an, aber der meldete sich nicht. Er sprach eine Nachricht auf
die Mailbox. Natürlich klang das erbärmlich. Was konnte er schon sagen? Er hatte es versprochen und hielt das Versprechen nicht.
Er hatte schon oft daran gedacht, den Kram hinzuschmeißen, aber nun, das war ihm klar, blieb ihm gar nichts anderes mehr übrig. Leichen hatten die Beziehung zu seiner Frau kaputt gemacht, und nun machten sie auch noch die Beziehung zu seinem Sohn kaputt.
Eine noch, und dann war Schluss.
John verließ den Tatort, warf ein paar Wachmacher ein, die er mit abgestandenem Nescafé runterspülte, und ließ sich dann die kalte Luft vom Gebläse der Klimaanlage direkt ins Gesicht wehen. Als er eine halbe Stunde später auf den Track einbog, setzte der Regen ein. Er dauerte nicht lange, nur ein paar Minuten, aber es war ein Wolkenbruch, und das Wasser strömte nur so über die Windschutzscheibe. Sechzig Kilometer Asphalt, dann ging es nach rechts auf die nächste Schlammpiste.
Die frischen Reifenspuren dürften von Detective Buchanon stammen - sie passten sehr gut zu ihrem Uralt-Holden-Pick-up. Der Regenguss lag erst gute vierzig Minuten zurück, also schloss er, dass sie ihm nicht allzu weit voraus sein konnte. Seine Folgerungen erwiesen sich als absolut zutreffend - als er den Zielort erreichte, fand er dort den Pick-up samt Detective vor. Er stellte den Wagen längsseits und kurbelte das Fenster herunter.
»Lassen Sie mich raten«, sagte er. »Sie sind seit knapp zwanzig Minuten hier.«
»Sherlock, Sie haben’s wieder
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