Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
ihre dunklen Schatten wachgerufen hatte. Mit bloßen Händen scharrte Dusty die Erde beiseite. Da war Haut. Knochen. Finger. Eine Hand. Das war sie. Mehr brauchte sie nicht zu wissen. Es war sie. Mit den Füßen schob Dusty die Erde ins Loch zurück und strich sie glatt.
    »Gute Arbeit«, sagte sie zu Jamarra. »Fahren wir.«
    Er zögerte. »Wie spät ist es?«
    »Kurz nach drei.«
    »Wann sind wir zurück?«
    »Um sieben, schätze ich. So ungefähr. Hast du heute noch einen Auftritt?«
    Jamarra nickte.
    »Dann nichts wie los.«
    Wieder ein Zögern, dann lächelte er. »Okay.«

43
    Sonntag, und der ganze Tag war verplant - Kinder wegbringen, Kinder abholen, das normale, hektische Gerenne -, aber als Dusty eine SMS mit dem Vorschlag schickte, sie solle doch auf »einen Sprung in den Pool« vorbeikommen, legte Trace noch einmal einen Zahn zu. So gut kannte sie Dusty denn doch - sie waren seit mittlerweile zehn Jahren befreundet -, dass sie wusste, dass mit dem »Sprung in den Pool« in Wahrheit gemeint war: »Ich brauche jemanden zum Reden.«
    »Hallo, ich bin im Wasser«, rief Dusty, als sie in den Garten spazierten.
    Wessie kam mit einer leblosen Ratte im Maul angelaufen. Saskia kreischte und klammerte sich ans Bein ihrer Mutter.
    »Was ist denn los?«, wollte Dusty wissen.
    »Wessie hat sich wieder mal’ne Ratte gekrallt«, antwortete Trace.
    »Ja, sie stöbert andauernd welche im Garten auf«, rief Dusty aus dem Pool herauf. »Wessie, geh weg da!«
    Wessie gehorchte und verdrückte sich samt Beute in die Waschküche.
    Da sie sich nicht länger von der Ratte bedroht sah, ließ Saskia ihrer Begeisterung freien Lauf, rannte zum Pool und schrie: »Tante, ich komme!«
    Als Trace, die der Spur der abgeworfenen Kleidungsstücke ihrer Tochter gefolgt war, den Beckenrand erreichte, war Saskia bereits im Wasser. Und Dusty, was soll man sagen, Dusty schwamm splitterfasernackt herum!

    »Wo hast du denn den Badeanzug gelassen, Mädchen?«, tadelte Trace und wandte den Blick ab.
    »Den brauch ich nicht, hier sieht uns ja keiner«, erklärte Dusty.
    »Ich schon«, widersprach Trace.
    Sie hob einen ausgebleichten Einteiler auf, der zerknittert auf den Steinplatten lag, und warf ihn ihrer Freundin zu.
    »Riesen-Schand-Macher!«
    Lächelnd schlüpfte Dusty in den Badeanzug.
    Trace hatte eine andere Dusty erwartet, die Dusty von letzter Woche: verdrießlich, stinksauer, durch und durch wütend.
    »Wirf die Ringe, Tante«, bat Saskia.
    Während Dusty die bunten Ringe großzügig im Pool verteilte, damit Saskia sie heraufholen konnte, zog Trace sich den Bikini an.
    »Neu?«, fragte Dusty.
    »Ja, Sonderangebot bei Zimmerman, letzte Woche. Gefällt er dir?«
    »Spaltarsch!«, lobte Dusty.
    Für eine Balanda bekam sie einen richtig guten Aborigine-Akzent hin, und Trace musste lachen. Nein, das war nun wirklich nicht die Dusty von letzter Woche. Irgendetwas war geschehen, und Trace konnte es kaum erwarten zu erfahren, was das war. Sie sprang ins Becken und paddelte zu Dusty, die, bis zur Hüfte im Wasser, auf den Stufen saß.
    »Also, raus damit«, sagte sie. »Es ist der Touri, ja? Ist er zurückgekommen?«
    »In gewisser Weise«, erwiderte Dusty. »Das heißt, er hat einen Brief geschrieben, aber das ist es nicht.«

    Dann berichtete Dusty Trace minutiös, was sich ereignet hatte, und ließ sich in ihrem Monolog nur kurz unterbrechen, als Saskia die bunten Ringe brachte und bat: »Noch mal werfen, Tante.«
    »Montag gehe ich zum Commander«, sagte Dusty und glitt tiefer ins Wasser.
    Die alte Trace, die Zyklonen-Trace, die mit fünfzehn wegen »Lernschwierigkeiten« von der Schule abgegangen war, hätte jetzt genickt und gesagt: »Gute Idee, Dusty.«
    Aber diese Trace war eine andere. »Lernschwierigkeiten, dass ich nicht lache«, hatte Mr. McFarlane, ihr Abendschullehrer, gesagt: »Wenn, dann Lehrerschwierigkeiten.«
    »Und was erhoffst du dir davon?«, wollte diese Trace wissen.
    »Na was wohl?«, blaffte Dusty.
    Trace tauchte mit kräftigen Zügen zum anderen Beckenrand und zurück. Sie wollte nachdenken, ihre Argumente zurechtlegen. Als sie wieder auftauchte, wartete Dusty noch immer auf die Antwort.
    »Diese ganze Geschichte ist wirklich großartig, aber leider nur, solange man überzeugt ist, dass es die Leiche überhaupt je gegeben hat«, sagte Trace, die Angst hatte, Dusty könnte eine Schwachstelle in ihrer Beweiskette finden und sie erneut anblaffen.
    »Und das bist du nicht?«
    »Schwester, natürlich glaube ich dir, aber um

Weitere Kostenlose Bücher