Vor dem Regen - Roman
mich geht’s hier nicht. Es geht um den Commander. Und um die zu überzeugen, dass es eine Leiche gibt, musst du sie ihr schon auf den Schreibtisch legen.«
Jetzt hatte Dusty das Bedürfnis zu tauchen. Im Tiefen kam sie wieder an die Oberfläche und kraulte dann, kräftig mit
Beinen und Armen schlagend, zurück. Sie schüttelte sich das Wasser aus dem Haar und starrte Trace böse an.
»Du willst also die Leiche sehen?«
»Genau, lass mal sehen, was du hast«, sagte Trace.
»Wirf den Ring, Tante!«
44
Anders als beim letzten Mal brannte jetzt das Duftlämpchen im Büro von Big C. Dusty hoffte nur, dass es eine beruhigende Wirkung hatte, denn Big C schien ihre Wut kaum bezähmen zu können.
»Was soll das?«, fragte sie und knallte etliche Fotos auf den Tisch, noch bevor Dusty überhaupt die Zeit gehabt hatte, sich richtig hinzusetzen.
Dusty nahm die Fotos.
Grashocker. Angetan mit diversen Polizeiuniformteilen. Unter ihnen auch Marion.
Jetzt wurde ihr klar, weshalb Big C so erstaunt gewesen war, als Dusty heute Morgen an ihre Tür geklopft hatte, und weshalb sie gesagt hatte: »Genau Sie wollte ich sprechen.«
Dusty musste jetzt rasch nachdenken. Konnte man ihr tatsächlich nachweisen, dass es ihre Uniform war? Oder nahm Big C einfach an, dass sie die Verantwortliche war - die große Meisterin im Scheißebauen?
»Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie mir erklären könnten, wie jene Uniformteile, die an Detective F. Buchanon ausgegeben wurden, in diese Hände geraten konnten.«
Dusty lächelte. Big C hatte zwar ein MBA-Diplom an der Wand hängen und ein ganzes Regal voller Management-Lehrbücher
herumstehen, aber sie hatte eben nicht Stunde um Stunde im Vernehmungszimmer an ihrer Befragungstechnik gefeilt. Sie hatte gerade ohne jede Notwendigkeit ihre Trumpfkarte ausgespielt.
»Also?«, sagte sie. »Ich warte auf Ihre Antwort.«
Dusty hatte sich, wie jeder in diesem Metier, im Lauf der Zeit eine Unzahl an Lügen anhören müssen. Manche waren plausibel, die meisten waren es nicht. Aber von allen professionellen Lügnern - Werbeleute, Immobilienmakler, Anwälte, Trickbetrüger - waren es die Politiker, denen sie die größte heimliche Bewunderung entgegenbrachte. Ihnen stand ein reiches Arsenal an Techniken zur Verfügung. Eine davon hieß: Du musst eine Lüge nur oft genug wiederholen, und sie wird schließlich im Glanze der Wahrheit erstrahlen. Eine andere, und die gedachte Dusty jetzt einzusetzen: Gib eine Antwort, die die eigentliche Frage nur streift, dafür aber eine eigene, immanente Rechtfertigung bietet.
»Die muss jemand aus meinem Haus genommen haben«, erklärte Dusty.
Was in der Tat stimmte. Sie selbst nämlich.
»Verdammt, halten Sie mich für komplett bescheuert?«
Es war ein Schock, solche Wortwahl aus dem Munde von Big C zu hören, vor allem, wenn man bedachte, wie viele Detectives sie wegen des allzu freizügigen Gebrauchs nichtstandardsprachlicher Ausdrücke bereits abgemahnt hatte.
»Nein, natürlich nicht.«
»Wir haben mit diesen Leuten geredet, wissen Sie das?«, sagte sie und deutete auf die Fotos.
Bluffte Big C? Hatten die Grashocker sie tatsächlich verpfiffen? Hatte Marion sie verraten? Wenn ja, dann konnte sie ihre Karriere in den Wind schreiben.
»Die muss jemand aus meinem Haus genommen haben«, wiederholte Dusty, denn auch das hatte sie den Politikern abgeschaut: Weiche niemals von der ursprünglichen Behauptung ab, ganz gleich wie zwingend die Gegenbeweise auch sein mögen.
»Und wieso haben Sie das nicht gemeldet?«
Gott, wie vorhersehbar, dachte Dusty, die sich die Antwort längst zurechtgelegt hatte. »Weil ich nicht wusste, dass sie fehlten.«
»Sie wollen mir also weismachen, jemand sei in Ihr Haus eingebrochen und habe außer ein paar Polizeiuniformteilen nichts Weiteres mitgehen lassen?«
»Es ist Build-Up«, konstatierte Dusty. »Da machen die Leute die verrücktesten Sachen.«
Big C sah Dusty vernichtend an.
Die versucht tatsächlich, mich mit Blicken einzuschüchtern, dachte Dusty. Wer je in die schwarzen, mitleidlosen Augen eines Serienmörders geblickt hat, der lässt sich durch das Geglotze einer mittelalterlichen Schreibtischstute nicht wirklich aus der Fassung bringen.
Es war Big C, die letztlich den Augenkontakt abbrach.
»Das wäre dann alles«, sagte sie.
Das hättest du gerne, dachte Dusty.
»Ich habe die Leiche gefunden«, sagte sie.
Big C machte große Augen.
Dusty half ihr auf die Sprünge. »Das Mädchen im Billabong.«
Ich
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