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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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und Randall hatte sie im Abstand von jeweils einem Jahr bekommen, und dann war sieben Jahre lang nichts passiert. Ich kniete mich neben sie, legte ein Ohr an ihren Bauch und hörte das wässrige Rauschen in ihrem Innern, während draußen der Wind an Ästen und Wurzeln zerrte, bis er drei Meter vom Haus entfernt einen Baum entwurzelte. Mama schaute mit einem Auge durch die Lücke der Bretter vor dem Fenster. Sie wiegte sich hin und her, als würde das Baby in ihr sie nicht stillsitzen lassen. Sie strich mir übers Haar.
    Dieser Sturm, Elaine, war Kategorie drei gewesen. Katrina, hatte der Nachrichtensprecher gestern am späten Abend, als wir uns im Wohnzimmer niedergelassen hatten, gesagt und damit Daddy bestätigt, hatte Kategorie fünf erreicht.
    Während Elaine tobte, hatten Randall und Daddy geschlafen. Skeetah hatte auf der anderen Seite neben Mama gesessen, mir gegenüber, und sie hatte uns von dem großen Sturm erzählt, den es gegeben hatte, als sie klein war, von der Legende: Camille. Sie sagte, Mother Lizbeths und Papa Josephs Haus sei abgedeckt worden. Sie sagte, sie könne sich am deutlichsten an den Geruch danach erinnern, ein Geruch nach Müll, der draußen in der heißen Sonne vor sich hin fault und in dem es von Maden wimmelt. Sie sagte, die gerade Verstorbenen und die schon früher Verstorbenen hätten überall am Strand gelegen, auf den Straßen und imWald. Sie sagte, Papa Joseph habe ein Skelett auf dem Hof gefunden, das blitzblank war, von dem alles Fleisch und alle Kleider abgewaschen worden waren, das aber trotzdem stank wie ein fauler Zahn im Mund. Sie sagte, Papa Joseph habe die Überreste nicht zur Kirche gebracht, sondern sie in einen Austernsack gesteckt und in den Wald getragen; sie glaubte, er habe die Knochen dort begraben. Sie sagte, sie und Mother Lizbeth hätten meilenweit laufen müssen, um Wasser aus einem artesischen Brunnen zu holen. Sie sagte, sie sei krank geworden, so wie die meisten, weil selbst dieses Wasser nicht sauber war, und sie hatte geträumt, dass sie dieses Wasser nie mehr loswerden würde, weil sie gar nicht mehr aufhören konnte, es auszuscheißen, auszupinkeln und auszukotzen. Sie sagte, es würde nicht noch einmal so einen Sturm wie Camille geben, und wenn doch, dann wollte sie ihn jedenfalls nicht miterleben.
    Ich bin gestern Abend nach allen anderen eingeschlafen, und jetzt bin ich vor allen anderen aufgewacht. Daddy schnarcht so laut, dass ich ihn bis hierher höre. Randall schläft mit dem Gesicht zum Sofa, auf dem Junior schläft, der mir den Rücken zukehrt und sich eingerollt hat, als wolle er etwas verstecken. Juniors einer Arm und sein eines Bein hängen vom Sofa herunter, und die Bettdecke reicht bis auf den Boden. Der Fernseher ist tot. Im Haus ist es so still wie sonst nie, das elektrische Brummen ist weg; während wir schliefen, hat der aufziehende Sturm unser Haus in den Würgegriff genommen. Wir haben keinen Strom mehr. Durch den Spalt im Wohnzimmerfenster sehe ich, dass der Morgen so dunkelgrau und undurchsichtig ist wie schmutziges Spülwasser. Der Regen pladdert auf das rostige Blechdach. Und der Wind, der gestern nur zu sehen war, seufzt und sagt Hallo. Ich liege hier im Dunkeln, ziehe mir das dünne Laken bis zum Kinn hoch, starre an die Decke und gebe keine Antwort.
    Mama hat Elaine Widerworte gegeben. Hat den Sturm besprochen.Hat uns in seine Mitte hineingezogen und uns beschützt. Dieses Geheimnis in meinem Körper, das kein Geheimnis mehr ist: Werde ich es beschützen? Wenn ich mit diesem Sturm sprechen könnte, ihn wie Medea für harmlos erklären könnte, würde dieses Baby, das so groß ist wie mein Fingernagel, der Nagel meines kleinen Fingers, es vielleicht hören? Würde es sich an meine Worte erinnern, wenn es geboren ist, würde es mich durch sie besser kennen? Würde es mich aus Mannys Gesicht anblicken, mit seiner goldenen Haut, mit meinem Haar? Würde es seine rosigen Finger nach mir ausstrecken, nach mir greifen?
    Die Sonne will sich nicht zeigen. Sie muss da sein, über dem wütenden Hurrikan, der sich gegen die Küste wirft wie China gegen die Blechtür des Schuppens, wenn sie raus will und Skeetah sie nicht lässt. Aber hier auf dem Pit sind wir gefangen in der Stunde, in der die Sonne sich hinter den Bäumen verbirgt, aber noch nicht über den Horizont getreten ist, in der sie kommt und geht, das Licht von überall und nirgends kommt und alles grau ist.
    Ich liege wach und sehe nur dieses Baby, das Baby, das ich im Geiste

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