Vor dem Sturm (German Edition)
er den ganzen Tag im Park trainiert, sich verausgabt, bis er noch dunkler wurde, noch aufrechter ging, bis er nur noch aus Muskeln und Atem bestand. Er ist müde, und er steht in der Tür zu seinem Zimmer. Die Deckenlampe im Flur brennt, und er starrt in den Raum. Es war ein langer Weg. Ich schlurfe den Flur entlang, eine Flasche Alkohol und ein feuchtes Küchentuch in der Hand, um seine Faust zu behandeln, die er dicht genug vor sein Gesicht hält, um daran zu lutschen. Junior hat an seinen Fingerknöcheln gelutscht, bis er zwei war, dann hat er aufgehört.
Skeet sitzt auf seinem Bett. China hat die Vorderpfoten auf seinen Schoß gelegt und reckt die Schnauze in die Luft; wenn sie den Hals bewegt, ist sie so anmutig wie die Schönhäutchen, die draußen im Bayou wachsen und sich über das Wasser neigen. Sie leckt Skeetah das Kinn. An ihrem Maul kleben noch rosafarbene Schlieren von dem Huhn. Skeetah lächelt, dieses scheue Lächeln, das ich nicht mehr bei ihm gesehen habe, seit wir klein waren und er öfter Päckchen mit Kool-Aid geklaut und den bitteren Puder herausgesaugt hat, von dem seine Zähne neonblau oder blutrot wurden. Die Welpen ächzen und jaulen in ihrem Eimer, der zusammen mit den Fünfzig-Pfund-Säcken Hundefutter, den Leinen, den halb zerfetzten Reifen und Chinas Decke in einer Zimmerecke steht.
»Ich hab sie reingeholt wegen dem Sturm.« Skeetah schaut nicht hoch.
»Vergiss es«, sagt Randall.
»Ich lass sie nicht draußen im Schuppen.«
»Wieso nicht?«
»Weil der nicht stabil genug ist, deswegen.«
»Der is total in Ordnung.«
»Er ist zu wacklig für sie.«
»Das hier ist ein Haus, Skeetah. Für Menschen. Nicht für Hunde.«
Skeet blickt auf. Das scheue Lächeln ist verschwunden. Er unterbricht Chinas Lecken, indem er ihr mit beiden Händen das Maul zuhält, und sie sitzt so reglos da wie die ganzen Wracks draußen auf dem Hof. Mit ihren verkrusteten Wunden wirkt sie ebenso verrostet wie sie.
»Ich lasse sie auf keinen Fall da draußen.«
Randalls Gesicht zerspringt zu Scherben, und übrig bleibt nur ein offenes Fenster.
»Das sag ich Daddy.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.« Skeetah bleckt die Zähne. Er lässt China los und steht auf, und sie gleitet von seinem Schoß, landet auf den Beinen und folgt Skeetah aus dem Zimmer. Alle drei stehen vor der Tür zu Daddys Zimmer, als Randall sie aufstößt und hineingeht.
»Daddy.« Nichts. »Daddy!«
Daddy liegt auf der Seite und hat uns den Rücken zugedreht. Er sieht aus, als wäre er gerade von etwas Hohem heruntergefallen, einem Baum oder einem Zaun, und hätte sich etwas gebrochen. Er rollt sich herum, um uns anzuschauen, und stützt sich auf einen Ellbogen.
»Was denn?« Das klingt mühsam abgerungen, als spräche er um die Schmerzen herum. »Was wollt ihr?«
»Skeet will die Hunde während des Sturms reinbringen.«
»Rein?« Daddys Augen glänzen im Dunkeln wie die eines Gürteltiers. »Wo rein?«
»Ins Haus.«
»Nein«, sagt Daddy. Er sinkt auf die Kissen zurück und rollt sich in Richtung seiner Hand.
»Nein«, sagt Skeetah. Er schiebt sich unter Einsatz seiner Ellbogen an Randall vorbei ins Zimmer und baut sich vor Daddy auf. China mogelt sich durch seine Beine und sitzt mit hängender Zunge da. Sie sieht fast wie ein ganz normaler Hund aus. »Ich lasse sie nicht da draußen.«
»Nein?« Daddy schaut ihn an und stützt sich wieder auf einen Ellbogen. »Was soll das heißen, nein? Ich hab gesagt, sie können nich rein, und das können sie auch nicht!« Wenn es ihm besser ginge, würde er brüllen, aber so muss er nach jedem zweiten Wort Luft holen, und was rauskommt, klingt wie ein Schnaufen.
»Wenn sie rausmüssen, geh ich auch raus«, sagt Skeetah.
»Was?« Daddy holt Luft.
»Wenn sie in den Schuppen müssen, geh ich auch in den Schuppen.« Skeetah tritt einen Schritt weiter in Daddys finsteres Zimmer, und er ist eine Leerstelle im Dunkeln, seine Stimme kommt aus keinem Gesicht, von keinem Kopf. China leuchtet wie weißer Sand auf einem mondbeschienenen Strand am Fluss.
»Du gehst auf keinen Fall« – Daddy muss husten, sein Hals ist trocken »mit dem verfluchten Hund raus in den Schuppen.«
»O doch.« Die Dunkelheit bewegt sich. »Und wenn Randall mich aufhalten will, kämpfen wir. Alle.«
»Zwing mich nicht aufzustehn.« Daddy schwingt die Beine über den Bettrand und stemmt sich mit der gesunden Hand hoch, aber seine Füße verfangen sich im Bettzeug, und er versucht, es mit der verletzten Hand zu
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