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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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Rücken aus. Er fängt an zu schrubben, und die Seife wird rostgrau. Er reibt die Seife über ihren langen flachen Kopf und ihr Gesicht. Er zieht ihr Fell zurück, sodass ihre zusammengebissenen Zähne bloß liegen, die scharfen gebogenen Reißzähne auf dem rosigen Zahnfleisch. Ihre Augen sind Schlitze, halb geschlossen vor Wonne. Sie recktsich in Skeetahs Hände hinein. Er zieht und lockert ihren Körper, massiert sie. Sie reckt die Nase in die Luft und sieht so lang und schön aus wie ein ausgebreiteter Flügel. Er kniet sich vor sie hin, streicht mit der Hand über ihre Brust, und sie leckt ihn glücklich.
    »Du bist zu mir zurückgekommen«, sagt er.
    »Du solltest nicht mit ihr da hingehen.«
    Randall kommt um die Hausecke. Ich erwarte, einen Ball in seinen Händen zu sehen, aber da ist keiner. Es ist, als würde seine Nase fehlen.
    »Du kannst mich mal, Randall.«
    »Du hast keinen Grund, sauer zu sein. Ich schon.«
    »Sie gehört mir. Das sind meine Hunde.«
    »Du hast totalen Mist gebaut. Ich musste was machen.«
    »Der Scheißcoach.« China grinst gegen das Zurückziehen ihres Fells an. Skeetah schrubbt fest. China sieht gestreift aus. »Und scheiß auf Rico. China ist kein bisschen schwach.«
    »Du denkst immer noch nicht an die Welpen.«
    Skeetah dreht den Hahn auf. China dreht sich unter dem Wasserstrahl im Kreis.
    »Bleib!«, ruft Skeetah, und sie erstarrt. »Du hattest kein Recht,
meinen
Hund wegzugeben.«
    »Und du hattest kein Recht,
mir
das Spiel zu vermasseln. Wie soll ich jetzt ins Camp kommen?«
    »Wenn er so was zu dir gesagt hätte, wärst du auch auf ihn los.« Skeetah schneidet ein Gesicht. »Und wie er Esch angeglotzt hat!«
    »Rico hat Esch angemacht?« Randall, der die ganze Zeit auf und ab gegangen ist und dabei eine Rille in die schlammige Erde gewühlt hat, bleibt abrupt stehen.
    Skeetah schnaubt, wirft einen Blick zu dem Fenster, hinter dem ich sitze, aber die Sonne draußen ist zu hell. Er kann mich unmöglich sehen. Sein Mund verzieht sich, als habe er in einenPfirsichstein gebissen, und er lacht kurz auf, ein bitteres, lautes Bellen.
    »Du hast echt keine Ahnung, oder?« Skeetah verschiebt seinen Daumen über der Schlauchöffnung, bis das Wasser in zwei harten glitzernden Strahlen herausschießt. Wenn es auf Chinas Seite trifft, klingt es massiv. »Du brauchst heut nicht hingehn. Das hat nichts mit dir zu tun. Wieso gehst du nicht trainieren?«
    Randall schüttelt den Kopf, schiebt die Zehen in trockenen Sand. Staub wirbelt auf und schwebt in der stehenden Luft. Er schaut zum Badezimmer, und ich lehne mich zurück, bis ich den kühlen, glatten Spülkasten durch mein T-Shirt spüre.
    »Ich gehe hin«, höre ich ihn sagen. »Du hast was versprochen. Du hast gesagt, du bezahlst mein Camp, wenn sie durchkommen«, sagt er lauter.
    »Ist ja gut!«, ruft Skeetah. »Du wirbelst Staub auf, Randall!«
    »Du bist genau wie Daddy. Ständig von irgendwas besessen.« Ich höre, wie die Seitentür zur Küche schabend auf- und wieder zugeht, als Randall Skeetah allein lässt und ins Haus kommt.
    Das Wasser hört auf zu fließen. Ich lehne mich so weit vor, dass ich gerade noch so aus dem Fenster schauen kann. Skeetah kniet wieder vor China und spritzt den letzten Rest des Spülmittels auf ihr Fell. Er schrubbt sie weißer als weiß: Sie ist das kalte, wolkige Herz eines Eiswürfels.
    »Wahnsinn, wie du glänzt«, haucht Skeetah China ins Ohr. »Weiß wie Koks.« Er streicht ihr übers Fell, seine Hand ist wie eine Messerklinge. »Blendend weiß.«
    Die wenigen schmutzigen Höfe, die dünnwandigen Häuser und Wohnwagen von Bois Sauvage geben neben dem Wald ein trauriges Bild ab – als würde man einen Welpen an einem ausgewachsenen Hund messen. Hier gibt es Badelöcher, die nur große Pfützen sind. Manche, die von kleinen klaren Bächen gespeistwerden, sind auch so groß wie Swimmingpools, aber die Erde färbt die Löcher schwarz, und die Bäume verseuchen sie mit Blättern, wie ein Hund mit Flöhen verseucht ist. Es gibt Gruppen von Magnolienbäumen, die so hoch, grün und glänzend sind, dass man unmöglich hinaufklettern kann, und in ihrer Nähe duftet es immer nach Pfirsichen. Es gibt Eichen so groß und alt, dass ihre schwarzen Äste so dick sind wie Stämme und bis auf den Boden reichen. Es gibt Tümpel voller Glibber und hoher gelber Gräser, in denen es nachts von Fröschen wimmelt, die rülpsend im Chor singen. Es gibt Lichtungen, auf denen Rehe grasen, aufschreckt und weiß blitzend

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