Vor dem Sturm (German Edition)
schwenken ihre Schweißtücher durch die Luft und schlagen nach Mücken. Manche sind zuversichtlich: runde Schultern, Grinsen im Gesicht. Big Henry wischt sich mit einem Schweißlappen, den er aus der Hosentasche gezogen hat, das Gesicht ab, und Randall stützt sich auf seinen Stock und betrachtet mit gerunzelter Stirn die spielenden Hunde. Über uns kreist ein Habicht, dreht ab, verschwindet.
Marquise steht neben einem Jungen, der sein Cousin sein muss; sie sind beide pekannussbraun, haben beide goldene Ringe im Ohr und sind beide klein, aber der Cousin ist ein bisschen dicker. Sein T-Shirt ist so groß, dass es ihn verschluckt.
»Was geht?«, fragt Marquise. »Das’ mein Cousin Jerome.«
»Cous hat mir von euerm klein’ Problem erzählt.« Jerome wirft Marquise einen Blick zu und wischt sich dann mit einem bereits nassen Tuch, das er aus seiner Tasche gezogen hat, den Kopf ab. »Braucht euch keine Sorgen machen.« Er zieht an seiner Leine, und sein Hund Boss, der in der Sonne gelegen hat, steht auf, kommt zu Jerome herüber und sitzt. Er ist ganz schwarz mit weißer Schnauze.
»Dass er groß ist, hast du ja gesagt, Cous, aber …« Marquises Flüstern geht in Lachen über. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so groß meinst.«
Boss ist riesig. Groß und dick, und seine Vorderbeine sind so gebogen, dass er von vorne wie ein Hufeisen aussieht. Während Chinas Fell seidig ist, ist Boss’ Fell borstig, so borstig, dass ich seine verheilten Kampfnarben sehen kann. Sie sind schwarz und wulstig wie Blutegel. Er lässt die Zunge heraushängen und lächelt. Mit jedem Hecheln bläht sich sein Brustkorb auf und zieht sich wieder zusammen, und er atmet so heftig, dass Jeromes T-Shirt sich kräuselt.
»Wo’s n der andre Hund?«
Marquise, der gerade seine eigene Hündin Lala tätschelt, der er die Ohren gestutzt und Ohrringe eingestanzt hat, die gleichen, die er selbst trägt, steht auf und weist mit dem Kopf über die Lichtung. Marquise lässt Lala nie kämpfen. Sie ist hellbraun und fast so sauber wie China. Sie liegt auf Kiefernnadeln und blickt mit einer hochgezogenen Braue zu uns hinüber. Skeetah hat mir mal erzählt, dass Marquises Hund bei ihm im Bett schläft, im Haus, jede Nacht. Skeetah hat die Achseln gezuckt und gelächelt, als er es erzählte, aber so wie sein einer Mundwinkel nach oben und der andere nach unten gezogen war, habe ich gedacht, wenn Daddy nicht wäre, dann würde China auch jede Nacht am Fußende von Skeetahs Bett schlafen.
Auf der anderen Seite der Lichtung zerrt Kilo an der Leine, die Rico festhält. Er schnüffelt am Boden, blickt abwesend und schlägt seine Krallen in die Erde. Klumpen fliegen hoch, zwischen seinen Hinterbeinen hindurch: Er wühlt sich durch das trockene Gras bis hinunter auf den Grund des Teichs. Ich frage mich, ob da unten Frösche sind, trockene, kühle Frösche, die sich in den Ritzen des aufgebrochenen Schlamms verstecken. Ob sie sich jetzt so flach wie möglich machen, um den scharfen Pfoten zu entkommen. Rico steht halb in der Sonne, halb im Schatten, lacht in die Richtung von Manny und einem älteren dunklen Jungen, der zu einem Hundekampf im Wald mit neu aussehenden weißen Schuhen erschienen ist. Ricos Grill blitzt, aber Manny, der die Arme verschränkt hält, ist noch goldener als Ricos Lächeln, und ich hasse ihn dafür.
»Boss hat von Baton Rouge bis Pensacola schon überall gekämpft«, sagt Jerome. »Und er hat öfter gewonnen als verloren.« Boss lässt sich wieder im Kiefernnadelstroh nieder und schnaubt hinein, sodass es wie Federn vor seinem Gesicht aufstiebt. »Er’s bereit.«
Ich schiebe mich in den Schatten neben Randall, der seinen Stock immer wieder in die Tonerde stößt. Big Henry zieht sich sein T-Shirt vom Bauch, um Luft hereinzulassen. Er grinst mich an. Skeetah steht in der Sonne; der einzige Junge auf der strohgelben Lichtung, der mit den Hunden dem Sonnenlicht trotzt. Er ignoriert uns, schaut an uns vorbei in den Wald hinein, so still wie China neben ihm, die uns ebenfalls ignoriert und in die Ferne starrt, im Stehen, ohne sich je hinzusetzen. Ich frage mich, ob er sie darauf abgerichtet hat, neben ihm stehen zu bleiben, nicht einmal ihre Hinterbeine durch das Hinsetzen zu beschmutzen, damit sie immer glänzen. China ist so weiß wie der Sand, aus dem einmal eine Perle wird, Skeetah so schwarz wie eine Auster, aber die beiden stehen einmütig zusammen vor diesen Jungs, die nichtwissen, was es bedeutet, einen Hund so zu lieben, wie
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