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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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Skeetah es tut.
    Die Jungs treffen sich in der Mitte des Kreises, sorgen wohlweislich dafür, dass ihre Hunde am Rand bleiben; sie reichen die Leinen ihren Freunden. Sie stecken die Köpfe zusammen, um die Kämpfe auszuhandeln.
    »Was soll das heißen, du willst Boss?«
    »Deiner ist zu groß für meinen.«
    »Er’s ’n Kleiner, aber echt rauflustig.«
    »Sie kann’s mit jedem hier aufnehmen, sie ist nicht schwach.«
    »Ich sage, zwei ist das Limit.«
    »Ich sag drei.«
    »Wen kümmert denn, was du sagst, ej?«
    »Ich sag auch zwei.«
    »Sugar schafft mindestens zwei.«
    »Homeboy schafft drei.«
    »Ojacc kann sie alle fertigmachen, einen nach dem andern.«
    Alle stöhnen im Chor.
    »Buddy Lee genauso.«
    »Truck wird jeden durch die Mangel drehen, problemlos.«
    »Hast du Slim gesehen? Kapierst du, was der mit Kilo machen kann?«
    »Keiner kämpft mit Kilo außer Boss.«
    »Wizard hat’s auf Kilo abgesehen.«
    »Ich sag doch, Kilo ist für keinen da außer für Boss.«
    »Ihr habt’s alle gehört. Kilo is für keinen zu haben außer Boss.«
    Die Jungs in der Mitte des verödeten Kreises sind so geladen wie die Luft vor einem Sturm. Skeetah und China stehen am Rand. Die Wortgefechte der Jungs steigern sich zu einem wütenden Brummen, und die Luft, die vorher still war, fegt plötzlich über die Lichtung, wirbelt Sand auf und zwingt die Jungs, die Augenzu schließen. Vielleicht hat Daddy recht; vielleicht hat Katrina es doch auf uns abgesehen. Big Henry hält sich sein Tuch vor die Nase. Hat Medea den Helden Glück gewünscht, ehe sie sich auf den Weg machten? Hat sie auf dem Deck des Schiffes gestanden, wie ich jetzt auf dieser Lichtung stehe, fraulich, reif, und den Regen beschworen, damit er ihre Abreise verschleiern möge, ihren Betrug bemänteln? Hatte Jason ihr gesagt, dass er sie liebt? Manny hält Kilos Leine und schaut China an. Skeetah und China stehen reglos.
    »Auf geht’s«, sagt Marquise.
    Skeetah und China verlassen den Kreis und stellen sich neben uns, aber ein Stück weiter, ein bisschen näher dran, Skeet in seinem T-Shirt, das im Nacken und den Rücken runter langsam feucht und dunkel wird, China still bis auf die Ohren, die zucken, um die Mücken zu verjagen, die sich dort niederlassen wollen.
    Skeetah hat China kämpfen lassen, sobald er sie für ausgewachsen hielt, mit etwa einem Jahr. Bei den Kämpfen gegen Hunde von Jungs aus Bois Sauvage und St. Catherine gab es immer einen klaren Sieger. Sie hat gegen jeden dieser Hunde gekämpft. Außer bei zwei Kämpfen am Anfang, als China gekämpft, aber mehr als der andere Hund geblutet hat und eines ihrer Ohren aufgeschlitzt wurde, gewann sie, indem sie den anderen Hund überwältigte und mit den Zähnen seine Kehle packte, das Gesicht wie eine Faust gespannt. Der andere Hund jaulte auf, und Skeet rief sie zurück, und daran erkannten alle, dass China gewonnen hatte.
    Jetzt schnüffelt kein Hund an China. Kein Hund kommt angelaufen und schnappt spielerisch nach ihr, schleckt über ihr Gesicht oder ihre Schultern. Sie und Skeet stehen abseits, und als der erste Kampf zwischen den ersten beiden Hunden anfängt, sind sie die Einzigen, die noch still stehen. Der Kampf ist schnell und schmutzig. Die Hunde treffen sich in der Mitte und taumeln amRand des Teichbetts entlang, wirbeln Sand und goldenes Stroh und Stöckchen und Blut auf. Sie winden sich, fauchen und winseln. Der Graue jault als Erster laut auf, aber es ist der Braun-Weiße, der zu Boden geht, sich zurückzieht, dem unbarmherzigen Licht, der heißen Grube, den sengenden Windstößen, den Krallen, dem Zucken und den Zähnen entkommen will. Die Jungs packen die Hunde an den Hinterbeinen, ziehen sie von einander weg, fluchen und lassen sie wieder los. Junior hüpft hinter Big Henry von einem Bein aufs andere, und Big Henry wischt sich den Nacken ab, obwohl er das so oft macht, dass sich gar kein Schweiß sammeln kann und sein Nacken gar nicht erst klebrig wird. Randall, der seinen Stock immer wieder wie ein Trommelmajor zwischen den Fingern gedreht hatte, hat damit aufgehört und schaut dem Kampf zu, während er den Stock wie einen Schlagstock hält. Der Graue wird winselnd weggezogen, während sich der Braun-Weiße immer noch dem Griff seines Besitzers entgegenstemmt. Skeetah tätschelt die zuschauende China einmal, klopft ihr nur kurz auf den Kopf, und sie leckt seine Finger. Sie entzieht sich nie.
    »Ojacc hat ihn gekriegt«, sagt der Besitzer des Grauen und gesteht damit die Niederlage ein.

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