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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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seinen Adamsapfel mit dem V, wo sich mein Daumen und meine Zeigefinger treffen. Er röchelt.
    »Ich habe dich geliebt!« Das ist Medea, die das Messer schwingt. Medea, die zusticht. Ich harke mit den Fingernägeln sein Gesicht und hinterlasse rosa Kratzer, die rot werden und sich mit Blut füllen.
    »Blöde Kuh! Was ist los mit dir?«
    »Du!«
    Manny packt mich unter den Achseln, hebt mich hoch und wirft. Ich fliege nach hinten. Meine Zehen treffen als Erstes auf, schaben über die Straße, dann landen meine Fersen, aber ich bin zu schnell, um anzuhalten, und falle mit dem Hintern aufs Pflaster. Ich versuche, mich mit meinen brennenden Händen abzustützen, und dann brennen sie noch schlimmer. Ich habe mir die Haut abgeschürft.
    »Was kommst du zu mir und behauptest, dass was meins ist, obwohl du jeden fickst, der sich auf dem Pit blicken lässt?«
    »Du bist der Einzige, mit dem ich zusammen war!« Ich stürze mich wieder auf ihn.
    »Geh lieber zu Big Henry mit dem Quatsch!« Manny duckt sich und schubst mich wieder von sich weg, aber diesmal nehme ich den Ausschnitt seines T-Shirts mit.
    »Ich weiß es!«, sage ich. »Ich weiß, dass es deins ist!«
    »Ist es nich.«
    »Ich sag’s Randall.«
    »Glaubst du, die wissen nich, dass du ne Nutte bist?« Er spuckt dabei aus, und es ist rot; ich habe ihn blutig geschlagen.
    Manny schüttelt verächtlich den Kopf, springt rückwärts von mir weg und rennt die schmaler werdende Straße hinunter, wird von den raschelnden Büschen verschluckt, und ich zittere wie das Laub, wie das Grün um mich herum, das sich unter den ersten tastenden Windstößen des aufkommenden Sturms biegt.
    »
Du
bist eine!«, brülle ich.
    Morgen
, denke ich,
wird alles reingewaschen sein
. Was ich im Bauch trage, ist unaufhaltsam; es wird kommen wie jeder unerträgliche neue Morgen. Ich schaue zu, wie Manny immer kleiner wird, und meine Rippen zerbrechen wie trockenes Sommerholz und brennen, brennen, brennen.
    »Das Baby wird es beweisen«, schreie ich. »Es wird sich zeigen!« Aber der Wind ergreift meine Stimme, trägt sie über die Kiefern davon und lässt sie ersterben.
    Randall findet mich im Straßengraben. Ich sitze da, meine Beine hängen über den Rand und werden von den Brombeerranken zerkratzt, Ameisen laufen über meine Zehen, aber es ist mir egal. Die Tränen strömen mir wie Wasser übers Gesicht, und ich bedecke es mit meinem T-Shirt, aber es ist zu heiß, und ich kann es nicht ändern. Ich kann nie und nimmer und nichts dagegen tun. Als Jason Medea verraten und ins Exil geschickt hatte, damit er eine andere heiraten konnte, tötete sie seine Braut, den Vater der Braut und zuletzt ihre eigenen Kinder und flog dann auf Drachen mit dem Wind davon. Sie schrie, und Jason hat es gehört.
    »Was ist los?«
    »Nichts.« Ich sage ihm das durch den Baumwollstoff.
    »Wir gehen zum Haus der Weißen.«
    »Wer?«
    »Du und ich.«
    »Wozu?«
    »Wir brauchen Vorräte.« Sagt Randall, und für einen Moment beruhigt sich der Tag, und ich höre, wie er ein- und ausatmet. »Hat er was zu dir gesagt?«
    »Nein.« Ich wische mir das Gesicht ab und lasse das T-Shirt an seinen Platz fallen. Meine Augen fühlen sich geschwollen und warm wie reife Weintrauben an. »Er hat nichts gesagt.«
    »Du musst mir helfen, Esch.« Ich habe noch nie erlebt, dass irgendetwas an Randall weich wird, wenn er wach ist, weder die Linie seiner langen Arme noch seine Beine, die wie Stahlpfeiler sind, noch sein Gesicht, wenn er ständig mit Bauen, Auswechseln, Organisieren oder Werfen beschäftigt ist. Aber jetzt werden seine Züge doch weich, und einen Atemzug lang sieht er aus wie auf den Kinderbildern, die Mama von ihm gemacht hat, Bilder von einem Randall, den ich noch nie gesehen hatte. »Bitte, Esch.«
    Ich beuge mich vor und wische mir mit dem T-Shirt das Gesicht ab, aber die Tränen fließen weiter.
    »Ich kann nicht«, schluchze ich.
    »Bitte«, flüstert Randall.
    »Wieso?«, hauche ich.
    »Ich brauche dich.«
    Ich reibe und wische, als könne ich die Liebe zu Manny, den Hass auf Manny, Manny selbst einfach wegwischen. Und dann stehe ich auf, weil es das Einzige ist, was ich tun kann. Ich trete aus dem Straßengraben und wische die Ameisen von mir ab, weil es das Einzige ist, was ich tun kann. Ich folge Randall ums Haus herum, weil es das Einzige ist, was ich tun kann; ob es Stärke ist oder Schwäche, ich tue es. Ich habe Schluckauf, aber die Tränen laufen mir weiterhin übers Gesicht. Nach Mamas Tod sagteDaddy,
Wozu

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