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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hügelan und auf den Spitzkrug zu.
    »Galgengesicht, dieser Kerl«, sagte Bamme. »Vergessener Rest von der Familie Sottmeier; irgendein Wende, der nach hinten und vorne zugleich sieht. Ein Schielkönig comme il faut. Hol ihn der Teufel. Ich wette, daß er gehorcht hat.«
    »Nicht doch«, sagte Vitzewitz und lachte. »Es ist ein Dolgeliner. Sein Vater ist Schmied. Es flog ihm ein Funken ins Auge.«
    Und damit ging es in raschem Trab ins Bruch hinein und auf Hohen-Vietz zu, das sie bei guter Zeit erreichten.
     
Sechzehntes Kapitel
     
Wen trifft es?
    Um die achte Stunde – Berndt und seine Hohen-Vietzer Gäste waren noch nicht zurück – saßen Renate, Tubal und Lewin in dem uns wohlbekannten Eckzimmer. Seidentopf, der zugesagt hatte zu kommen, war ausgeblieben; Lewin schien zerstreut; Tubal, befangener noch als am Tage seiner Ankunft, vermied es, dem Auge Renatens zu begegnen. So scheiterten alle Bemühungen dieser letzteren, das sich hinschleppende Gespräch in einen etwas lebhafteren Gang zu bringen, und jeder, wenn ein Wagen vorüberfuhr, atmete auf, in der Hoffnung, daß es die Ponies sein möchten.
    »Wo sie nur bleiben?« sagte jetzt Renate. »Den ganzen Tag über bin ich ein Gefühl der Sorge nicht losgeworden; ich hatt es in der Kirche schon und dann, als ich bemerkte, daß ihr ein geschlossen waret, du und Marie. Ich sagt es auch der Schorlemmer. Willst du glauben, Tubal, daß ich mich an Mariens Stelle geängstigt hätte. Die Mittagsstunde hat ihren Spuk so gut wie Mitternacht.«
    Tubal, den jedes Wort traf, bückte sich, um ein paar Tannäpfel in den Kamin zu werfen, und sagte verlegen vor sich hin: »Die Zeit verging uns rasch. Wir haben die Grabsteine gelesen.«
    »Die Grabsteine«, wiederholte Renate. »Das hätte mir den Mut auch nicht gehoben. Aber Marie, glaub ich, setzte sich in den Majorsstuhl und vergäße seine Schrecken, vorausgesetzt, daß es sein müßte. Denn im Grunde hat sie das Grauen so gut wie ich, sie hat nur mehr Kraft, ihre Furcht zu bezwingen.«
    Die Pendule schlug jetzt acht, und Renatens Besorgnisse wurden immer größer. »Haltet ihr es für möglich«, sagte sie, während sie sich erhob und voll Unruhe auf das Fenster zuschritt, »daß die Franzosen von unserem Vorhaben erfahren haben können? Unser Landsturm ist seit drei Tagen auf allen Straßen, und es gibt immer feile Kreaturen, die für Lohn oder Vorteil den Spion machen.«
    »Gewiß«, sagte Lewin. »Aber diese Spione können nicht mehr verraten, als sie selber wissen. Und was sie wissen, das wissen die Franzosen auch. Es ist einfach das, daß sich ein Wetter gegen sie zusammenzieht. Nicht bloß hier, überall.«
    »Und nun dieser Drosselsteinsche Brief«, fuhr Renate fort, die nur mit halbem Ohre zugehört hatte, »ich glaube nicht, daß er viel Gutes bringt. Es ist mir, als läs ich ihn Zeile für Zeile. Absage, Zweifel, irgend etwas...«
    In diesem Augenblicke fuhr der mit soviel Spannung erwartete Wagen über das Pflaster des Hofes und hielt. »Da sind sie!« riefen alle, und ehe Renate Zeit gefunden hatte, die bis dahin im Hintergrunde des Zimmers stehende Astrallampe vor das Sofa zu stellen, traten unsere Frankfurter Reisenden bereits ein. Die Schorlemmer und Jeetze folgten. Fragen über Fragen. Abendbrot wurde refüsiert, nur Tee befohlen, und weil alle mehr oder weniger ausgefroren waren, kam man überein, statt am Sofatisch, um den Kamin her Platz zu nehmen. Der Tagesbericht sollte chronologisch gegeben werden, kam aber nicht weit, da sich, als des über Hohen-Ziesar genommenen Umweges gedacht wurde, Lewin und Renate sofort des Drosselsteinschen Briefes entsannen, der in der Freude des Wiedersehens vergessen worden war.
    Berndt erbrach den Brief und las: »Nur wenige Worte, mein teurer Vitzewitz. Eben komme ich von jenseits der Oder zurück und erfahre, daß Sie mit dem General und zwei anderen Herren hier waren, um mich für Frankfurt abzuholen. Ich war, wie Sie gewiß vermutet haben werden, inzwischen ein zweites Mal bei Tschernitscheff, den ich bereits auf dem Marsche traf. Er rückt heute noch bis auf zwei Meilen gegen Frankfurt vor. Seine Gesinnungen sind unverändert die besten. Er teilte mir zum Schlusse mit, daß er an seinen unmittelbaren Chef, den Corpskommandanten Fürsten Wittgenstein, berichtet habe und spätestens bis morgen mittag der Gutheißung der von ihm getanen beziehungsweise noch zu tuenden Schritte entgegensähe. Tout à vous, Drosselstein.«
    Ein jeder empfand die Zweideutigkeit dieser

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