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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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drei himmlische Geschwister – tragen Deinen Aschenkrug, verewigter Leopold, und klagen mit der Göttin der Stadt, deren Bürger Du zu retten eiltest, und klagen mit dem Odergott, in dessen Wellen Du untergingst, daß die Erde ihr Kleinod verloren hat.«
    Bamme war ebenfalls herzugetreten und sagte jetzt, während er auf die Urne zeigte: »Aschenkrug. Wer's glaubt! Sieht es nicht aus wie eine Riesenbowle? Und das soll es am Ende auch sein. Ich wette, der Bildhauer – Ehre seinem Andenken – war ein Schalk und schrieb auf seine Art Geschichte. Sie wissen doch, Vitzewitz?«
    »Ich weiß«, sagte dieser. »Aber es ist widerlegt.«
    »Schade«, fuhr Bamme fort. »Die hübschesten Sachen in der Weltgeschichte werden immer widerrufen oder widerlegt. Pitt starb an einer Flasche Burgunder; aber das war nicht groß genug für einen Rednerhelden oder meinetwegen auch Heldenredner, und so heißt es jetzt, er sei an der Schlacht von Trafalgar gestorben. Hätt ich die Notiz von Rutze, so würd ich an eine Verwechslung mit Nelson glauben. Aber es steht in allen Büchern und Blättern. Apropos, Rutze. Seine Compagnie ist brillant, vielleicht die beste. Nichts für ungut, Vitzewitz.«
    Während diese Worte gewechselt wurden, war der französische Posten mit einem »Pas permis, monsieur« an den emsig zeichnenden Grell herangetreten, hatte sich jedoch jedes weiteren Einspruchs begeben, als ihm unser Hölderlinfreund seine mit komischem Ungeschick abkonterfeiten drei Gottheiten gezeigt und dadurch die Lachlust des kleinen Südfranzosen erregt hatte.
    Von der Brücke her kam ihnen jetzt das Turganysche Fuhrwerk entgegen. Sie stiegen ein, behalfen sich, so gut es ging, und erledigten ihr Programm – auch bei dem Ewald-von-Kleist-Denkmal einige Minuten verweilend – in der vorher festgesetzten Reihenfolge. Darnach trennte man sich, um Krist und die Ponies in der Lebuser Vorstadt aufzusuchen. Ihre letzte Abmachung war dahin gegangen, daß die Landsturmbrigade nicht später als ein Uhr nachts von Montag auf Dienstag am Spitzkrug eintreffen solle. Ein Vertrauensmann Othegravens werde sie daselbst erwarten.
     
    Die kleine Sankt-Georgs-Kirche schlug eben fünf, als unsere Freunde am Ausgange der Lebuser Vorstadt eintrafen und vor einem hier befindlichen alten Wirtshause den Hohen-Vietzer Kaleschwagen erkannten. Aber noch nicht angespannt.
    Beinahe die Hälfte der »Wirtschaft« wurde von einem ungewöhnlich großen Torweg eingenommen, der durch die ganze Tiefe des Hauses lief. Es dunkelte schon, und so hätte sich von der gewölbten Einfahrt sehr wahrscheinlich nichts weiter als ein schwarzes Loch erkennen lassen, wenn nicht in Höhe des Gewölbes eine Stallaterne geschaukelt hätte. Mit Hilfe dieser gewahrte man drei Stufen, die nach links hin aus dem Torweg in eine, so schien es, den ganzen Rest des Gebäudes einnehmende Gaststube führten. Alles andere lag im Quergebäude. In Front der Ausspannung aber war anscheinend noch ein zweiter Torweg sichtbar, ebenfalls mit einer Laterne. Sah man indessen schärfer zu, so gewahrte man, daß dieser Torweg gar kein Torweg sei, sondern eine große Kapellennische, in deren Hintergrund ein bemaltes Kruzifix hing. Neben diesem Kruzifix zwei weißgetünchte Heilige, die auf ihren bittend vorgestreckten Armen wohl ein halbes Dutzend vertrockneter Kränze trugen. Vitzewitz war in den Hof gegangen, um nach Krist und den Ponies zu sehen; Bamme, von Grell und Hirschfeldt begleitet, patrouillierte draußen auf und ab und wollte durchaus Näheres über die zwei »Torwege« hören. Er sah sich deshalb um und gewahrte schließlich einen Menschen, der, auf einem der niedrigen Fenstersimse hockend, wie ein Schatten in der matt erleuchteten Öffnung saß.
    »He, Sottmeier!«
    Der Angerufene erhob sich und kam auf Bamme zu. Es ließ sich jetzt erkennen, daß er Hausknecht, Küfer und Marqueur, alles in einer Person war. Er trug eine grüne Friesschürze. Sein eines Auge, das viel größer aussah als das andere, hatte einen weißen Fleck, und dieser weiße Fleck bohrte sich immer auf den, mit dem er sprach. Dazu storres schwarzes Haar; alles häßlich und unheimlich.
    »He, Freund«, sagte Bamme, dem die Lust vergangen war, das Wort »Sottmeier« zu wiederholen, »he, Freund, wie heißt eure Ausspannung?«
    »Der letzte Heller.«
    »Das ist gut. Gefällt mir. Man hört ordentlich, wie er springt. Und hier nebenan der Torweg mit dem Kruzifix und den zwei Nonnen, wie heißt
der

    »Auch der letzte

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