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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Heller.«
    »Wetter, das gefällt mir nicht; dieser ewige ›letzte Heller‹, als ob es sonst nichts in der Welt gäbe. Das schmeckt ja wie Miserere. Grell, wo will das hinaus? Mit dem Galgenberg haben wir angefangen, und mit dem letzten Heller hören wir auf. Zweimal der letzte Heller, auf Ehre, das ist zuviel.«
    Grell lachte. »Wir müssen es uns auf das Beste hin ansehen, Herr General. Es ist eigentlich eine Feinheit, diese zwei ›letzten Heller‹ so dicht nebeneinander wie Himmel und Hölle. War es doch immer so. Der eine ließ sein Letztes bei der Kirche, der andere bei der Kneipe. Es stammt alles noch aus den katholischen Zeiten her. Aber ich glaube nicht, daß es viel besser geworden ist.«
    »Ich auch nicht«, sagte Bamme, und damit schritt er auf die drei Stufen zu, die vom Torweg aus nach der Gaststube hinaufführten. Grell und Hirschfeldt folgten. Einen Augenblick später trat auch Berndt ein, der, nach längerem Umhertappen in dem dunklen Stall, Krist auf einer Futterkiste total verschlafen vorgefunden und nicht ohne Mühe zum Anspannen seiner Ponies veranlaßt hatte.
    In der Gaststube saßen einige Sottmeiers beim Dreikart. Bamme war nicht in der Laune, sich populär zu machen; er suchte deshalb ein anderes, dahintergelegenes Zimmer auf, in welchem er ein großes Billard vorfand, halb zerrissen, aber die Fetzen mit einer Stopfnadel notdürftig wieder zusammengenäht. Darüber hing eine blakende Lampe. »Sieht sie nicht aus, als wäre sie draußen den Nonnen fortgenommen«, sagte er zu Grell und setzte dann, zu dem Hausknecht sich wendend, hinzu: »Noch ein Licht.«
    Dieser brachte zwei und wollte, da kein Tisch da war, das eine auf den Queueständer, das andere auf das Brettchen eines neben dem Ofen stehenden hochbeinigen Kinderstuhles setzen, Bamme befahl aber: »Nicht da; hierher, rechts und links neben die Karoline!« und ließ die Lichter mitten auf das Billard stellen.
    Als dies geschehen und die »grüne Friesschürze« wieder verschwunden war, sagte der Alte: »Ich wette, er hat nicht eingeklinkt; riegeln wir zu; besser ist besser. Wer die Menschen kennt, mißtraut ihnen. Es riecht hier überhaupt nach Spelunke, und wo es nach Spelunke riecht, da riecht es auch nach Verrat.«
    Grell schob den Riegel vor und stellte sich dann wieder neben Bamme, der mit immer komischer werdender Feierlichkeit fortfuhr:
    »Eh wir in den Wagen steigen, meine Herren, will ich die Dispositionen für morgen auf den Tisch zeichnen. Ein Stück Kreide, Hirschfeldt. Alle großen Schlachten sind mit drei Linien gewonnen worden. Und diese drei Linien hab ich auch für morgen in petto.«
    Hirschfeldt hatte mittlerweile den alten Queueständer durchsucht und ein Stück Kreide gefunden. Er gab es an Bamme, der sofort einen Kreis auf das Billardtuch malte und diesen Kreis durch einen dicken Flußstrich in links und rechts halbierte.
    »Hier rechts«, hob er an, »die Dammvorstadt ist Tschernitscheffs Sache; hol ihn der Teufel, wenn er uns im Stiche läßt. Was
wir
zu tun haben, liegt links,
hier
an den drei Toren.«
    Und nun begann er jedes der drei Tore durch einen kurzen Doppelstrich zu bezeichnen, den er quer durch die Peripherie des Kreises zog.
    Dann fuhr er mit steigendem Eifer fort: »Um ein Uhr halten wir am Spitzkrug und marschieren auf drei Straßen gegen die drei Tore. Das ist das Vorspiel. Und nun das Stück selber. Wir
nehmen
die drei Tore, gleichviel, mit List oder Gewalt, und dringen in drei Strahlen auf den Kirchplatz vor. Da haben wir die drei strategischen Linien. Kirchplatz ist Rendezvous. Dort entscheiden sich die Dinge, so oder so. Hoffen wir alles, und fürchten wir nichts. Und damit basta. Parole ›Zieten‹. Und wolle der alte Husarenvater in Gnaden mit uns sein.«
    Ein Lächeln ging über aller Züge, als sie so den alten »Husarenvater« wie Gott und seine Heiligen angerufen sahen. Aber Bamme bemerkte nichts. Er öffnete nur das Fenster, nahm eine Handvoll Schnee und wusch damit seinen dreilinigen Angriffsplan wieder weg.
    Draußen hielten jetzt die Ponies. Krist knipste mit der Peitsche, und der storrige Hausknecht, der mittlerweile seine Friesschürze zu einem Dreieck zusammengesteckt hatte, drängte sich an Bamme, um ihm beim Aufsteigen behilflich zu sein.
    »Verkehren Franzosen hier?« fragte dieser.
    »Nicht viel.«
    »Nette Leute?«
    »Na, soso. Wer sie gerade leiden kann. Nicht schlimmer als unsere.«
    Während dieses Gespräches hatte sich alles zurechtgerückt, und der Wagen fuhr langsam

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