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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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draußen auf dem Flur in seinen Husarenmantel und schwor ein Mal über das andere, während er mit unsicherer Hand an seinen Kragenösen herumnestelte, daß er sechs Pflegetöchter ins Haus nehmen wolle, wenn nur
eine
so geriete wie diese kleine Fee. Denn eine Fee sei sie, trotzdem die richtigen Feen blaue Augen haben müßten. Und darnach hob er sich in den Sattel, rückte sich zurecht und warf der am Fenster stehenden Marie Kußhändchen zu, aber mehr freundlich als geckenhaft. Und gleich darauf ritt er ab. Ein sonderbares Bild, der kleine Mann auf dem hohen brandroten Pferde, in Mantel und Pelzmütze und die Steigbügel hochgeschnallt.
    Im übrigen war alles, wie Schulze Kniehase gesagt hatte, und als Bamme jetzt in Nähe des zur Revue bestimmten Blachfeldes eintraf, sah er, daß drei der Bataillone bereits regelrecht aufmarschiert waren. Sie standen hufeisenförmig oder in einem Carré, dessen vordere Seite geöffnet war. In diesem Augenblicke meldeten Drosselstein und Vitzewitz, daß auch Bataillon Lebus im Anmarsch sei. Dasselbe rapportierte Hirschfeldt und der kleine Mann wuchs ordentlich auf seinem hohen Pferde, als er sich von den verschiedensten Seiten her so begrüßt und zum Mittelpunkt aller dienstlichen Meldungen gemacht sah.
    Diese Meldungen waren kaum beendet, als man auch schon vom Dorfe her Trommelschlag hörte und zwischen den Pappeln hin einer lang heranziehenden Kolonne gewahr wurde. Es waren unsre Lebuser. Sie marschierten in Abständen von hundertundfünfzig Schritt. Und jetzt waren die Vordersten deutlich erkennbar geworden: Compagnie
Lietzen-Dolgelin
. Ein Alter mit einer Fahne, deren Stock in einem breiten Gurt steckte, schritt rüstig voran, trotzdem sein rechter Fuß etwas kürzer war als der linke.
    »Wer ist der Alte?« fragte Bamme den neben ihm haltenden Vitzewitz.
    »Rentamtmann Mollhausen von Lietzen. Hat noch unter Markgraf Karl gedient. Bei Kunersdorf Schuß durch die Hüfte.«
    »So, so. Und die Fahne, die der Alte führt? Rot und weiß. Hab ich all mein Lebtag nicht gesehen.«
    »Das ist die Komtureifahne mit dem achtspitzigen Johanniterkreuz. Lietzen war Ordensgut.«
    Unter diesem Gespräche war »Lietzen-Dolgelin« bis dicht herangekommen und schwenkte rechts, um an den einen Flügel des offenen Carrés zu rücken. Dadurch wurde die zunächst kommende Compagnie sichtbar. Es war die von
Hohen-Ziesar
. Sie hatte die meiste Musik: zwei Trommler und zwei Pfeifer, und die ganze vorderste Sektion bestand aus lauter berittenen Mannschaften: Verwalter und Meier von den verschiedenen Gütern und Vorwerken des Grafen. Dieser selbst, als er seine Leute herankommen sah, setzte sich an ihre Front und führte sie, die Degenspitze neigend, an dem alten Bamme vorüber.
    Jetzt kam Compagnie
Hohen-Vietz
. Sie hatte das meiste Ansehen und wurde von den anderen wie eine alte vornehme Familie behandelt. Das machte, weil sie die historische war. Die Lietzner Komtureifahne mit dem achtspitzigen Kreuz wollte nicht viel besagen, denn ihr Fahnentuch war neu, keine dreißig Jahre alt; Compagnie Hohen-Vietz aber hatte noch das siegreiche Kirchenbanner aus den Hussitentagen her und vor allem die große Schwedentrommel, von der jedes Kind in den Bruchdörfern wußte und die jetzt dumpf und eintönig ihren Marsch wirbelte. Es war der Schmied, der sie trug, an einem breiten, mit Muscheln besetzten Lederbande, nicht viel schmäler als der Ledergurt eines Schlittengeläuts. Die Trommelwandung war blau, und der krause Mohrenkopf, der sich in gelbem Schilde auf eben dieser Wandung befand, war durch Seidentopf als der Kopf der Königin Christine festgestellt worden.
    Und nun kam Compagnie
Protzhagen
, Hauptmann von Rutze am rechten Flügel und statt des Trommelschlägers einen Hornisten in der Front. Dieser, ein dicker, kurzhalsiger Mann und seines Zeichens Protzhagener Kuhhirt, steckte wie verloren in den Windungen eines riesigen Horns, von dem es hieß, daß es dasselbe sei, drin Junker Hans von Rutze vor hundertundfünfzig Jahren den Hals gebrochen habe. Es gab nur zwei Töne von sich, einen tiefen und einen hohen, von denen der tiefe zum Angriffs- und der hohe zum Rückzugssignal bestimmt worden war. Die Compagnie selbst aber, nach wie vor die beste, war in all ihren Gliedern mit Piken bewaffnet, eingedenk der historischen Tatsache, daß Eusebius von Rutze in der großen Schlacht bei Budapest mit einer Pikeniercompagnie das türkische Zentrum durchbrochen hatte. Daraufhin hatte sein Urenkel, unser Hauptmann,

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