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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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der Oder, unser Bataillon und die Münchebergschen über das Plateau hin. Beim Spitzkrug treffen sie dann wieder zusammen. Hirschfeldt hatte den Platz an der kleinen Georgenkirche vorgeschlagen, aber Bamme bestand auf dem Spitzkrug.«
    »Das glaub ich«, sagte die Schorlemmer. »Er ist immer mehr für Krug als Kirche. Und das ist es, was mich ängstigt und meine Hoffnung so niederdrückt.«
    Renate nahm die Hand der alten Freundin und sagte: »Ich sehe nicht ein, warum. Weißt du doch nichts von ihm, als was die Leute sagen.«
    »Und das ist auch gerade genug. Was die Leute sagen, ist immer wahr, trotzdem die Welt voll Lüge ist. Aber die Lüge läuft sich tot, und was dann bleibt, das ist die Wahrheit. Hast du je gehört, daß sie von dem Grafen drüben etwas Böses sprechen? Nein, und warum nicht? Weil er ein reines Herz hat. Es hat ihm bloß die Erweckung gefehlt und das Licht des Glaubens. Aber was diesem garstigen Bamme fehlt, das ist nicht mehr und nicht weniger als alles, und was er dafür hat, das ist Qualm und Rauch. Und er raucht auch immer (aus einer häßlichen kurzen Pfeife), und durch die ganze Stube hin liegt Asche und Fidibus und Schwamm. Er hat uns Löcher in die Dielen gebrannt, und überall sieht es aus, als ob, ich will nicht sagen wer, fünf Tage lang bei uns im Quartier gelegen hätte. Was soll Gutes davon kommen? O nein, Renatchen, was wir brauchen, das ist die Hilfe Gottes. Der muß seine Engel schicken, daß sie für uns streiten; aber sie können nicht streiten an
dieses
Mannes Seite, denn das Reine verträgt sich nicht mit dem Unreinen.«
    »Liebe Schorlemmer«, sagte Marie, »du tust ihm doch wohl unrecht, er wird schwärzer gemalt, als er ist; das hat er mit seinem Vorbilde gemein. Er kam heute vormittag in unser Haus und setzte sich zu mir und sprach mit mir, wohl eine halbe Stunde lang. Ich fürchtete mich keinen Augenblick und jedenfalls ein gut Teil weniger als vor vielen anderen, die keine Bammes sind. Er war sehr artig und sehr teilnehmend, und ich muß sagen, ich habe nichts Häßliches aus seinem Munde gehört. Vielleicht, daß er früher anders war. Er ist klug und kennt die Menschen, und ich glaube, er weiß recht gut, was er sagen darf und was nicht.«
    »Marie hat recht«, sagte Seidentopf. »Und zudem, er hat noch eine große Tugend: er heuchelt nicht und macht sich nicht besser, als er ist. Im Gegenteil, er legt sich allerhand Tollheiten zu, denn das menschliche Herz ist wunderlich in seinen Eitelkeiten. Die meisten suchen ihren Vorteil im Tugendschein, er gefällt sich im Schein der Sünde. Ich will nicht alles an ihm loben, aber wenn ich die Summe seiner Fehler ziehen sollte, so würd ich sagen, er ist eitel und gefallsüchtig und nicht fest in Grundsätzen.«
    »Nicht fest in Grundsätzen«, brauste jetzt die Schorlemmer auf. »Das nenn ich denn doch Beschönigung. Grundsätze? Er hat überhaupt keine, und das ist das Schlimmste. Denn wer keine Grundsätze hat, der ist wie ein Raubtier oder eine Katze. Und wie macht es die Katze? Jetzt schnurrt und spinnt sie noch und wärmt sich an der Ofenecke, aber im nächsten Augenblicke springt sie dem schlafenden Kind an die Kehle. ›Sie hat es für eine Maus gehalten‹, sagen dann die Leute, die für alles eine Entschuldigung haben. Aber ich mag nichts davon wissen. Maus hin, Maus her, die kleine Unschuld ist tot.«
    Renate und Marie wechselten Blicke, die Schorlemmer aber, die, so gut sie war, in ihrem Eifer oft aller Liebe vergaß, fuhr immer heftiger fort: »Und mit diesem Manne ziehen sie gegen die Mauern einer festen Stadt, als ob er ein Mann Gottes und ein Auserwählter wäre. Er wird aber den dicken Mann von Protzhagen, dem sie das alte Rutzenhorn um den Nacken gelegt haben, umsonst blasen lassen, denn das alte Rutzenhorn ist keine Posaune, und Bamme, Gott weiß es, ist kein Josua. Denn der hatte das Gesetz, das Gott dem Mose gegeben, und wich nicht zur Rechten und nicht zur Linken. Und so blieb es in Israel, und wenn es arg wurde, weil sie sich mit den heidnischen Völkern mischten und den heidnischen Göttern dienten, dann weckte Gott einen Gottesmann unter ihnen, der schlug dann die Moabiter und Amalekiter und viele andere noch. Und warum schlug er sie? Weil sein Auserwählter dem rechten Gotte diente und die Baalstempel stürzte. Aber dieser Bamme, der nun auszieht, um unsere Feinde zu schlagen, der ist selber ein Heidenkind und möchte jeden Tag dem Baal Tempel und Altäre bauen. Und was ist sein Baal? Das Spiel und

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