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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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allem Dreinreden einzelner zum Trotz, auf Piken bestanden, und Bamme – selber ein Freund der blanken Waffe und des Mann gegen Mann – war ihm gern zu Willen gewesen. Er sah jetzt schmunzelnd auf Rutze, der, das sechs Fuß lange Sponton in beiden Händen, gravitätisch an ihm vorbeidefilierte, und wandte sich zu Berndt: »Voilà, der Anmarsch der Protzhagener Gebirgsvölker. Sehen Sie, Vitzewitz, das Monstrum in der blechernen Boa constrictor. Das reine Horn von Uri.«
    Und damit schwenkten auch die Rutzeschen nach rechts hin ein.
    Ihr Einschwenken, wie das der letztgenannten Compagnien überhaupt, hätte, wenn es en ligne erfolgt wäre, das bis dahin offene Carré schließen müssen, dadurch aber, daß sie hintereinander, zu je zwei und zwei, am rechten und linken Flügel des Hufeisens aufmarschierten, war zwischen ihnen eine breite Gasse frei geblieben, durch die jetzt erst Bamme und dann alle Bataillonskommandeure, die mit auf der Chaussee gehalten hatten, in das Carré einritten.
    Die Barnimschen Bataillone, zum Unterschiede von den Lebusischen, hatten viele kleine Compagniefahnen mitgebracht, rote Frieslappen, in die, wie sich die Landsturmmänner ausdrückten, der »preußische Kuckuck« eingenäht worden war. Diese Fahnen senkten sie jetzt, während zugleich alle Trommeln, große und kleine, gerührt wurden. Der alte General salutierte, ritt die Fronten ab und nahm dann seine Stellung inmitten des Carrés, von seiner Suite und mehreren der Barnimschen Fahnenträger umgeben. Der Moment war nun da, wo gesprochen werden mußte.
    Bamme war nicht ängstlich und wußte zu reden wie jeder, dem es gleichgültig ist, ob seine Rede gefällt oder nicht.
    »Leute!« begann er, »in Frankfurt sind funfzig Kanonen und bloß zweitausend Franzosen. Ein paar hundert mehr oder weniger tut nichts. Wir wollen sie überrumpeln; wollt ihr?«
    »Ja, Herr General!«
    »Gut, ich hab es nicht anders von euch erwartet. Denn was sagte der Alte Fritz? ›Wenn ich Soldaten sehen will‹, sagte er, ›so seh ich das Regiment Itzenplitz.‹ Und das andere Mal sagte er: ›Wenn ich Soldaten sehen will, so seh ich das Regiment Markgraf Karl.‹ Ja, Leute, so sagte der Alte Fritz. Habt ihr verstanden, was ich meine?«
    »Ja, Herr General.«
    »Regiment Itzenplitz und Regiment Markgraf Karl, wo waren sie zu Hause?«
    »Hier, Herr General.«
    »Richtig, hier in Barnim und Lebus. Kerls, sollen wir schlechter sein, als unsere Väter waren? Sollen wir, wenn uns der Alte Fritz ansieht, die Augen niederschlagen?«
    »Nein, nein!«
    »Es wird nicht viel kosten; die Bürger helfen und die Russen auch. Aber ›wo Holz gehauen wird, fallen Späne‹. Ein paar von uns werden die Zeche bezahlen müssen. Wollt ihr?«
    »Ja!«
    »Ich wußt es. Aber nun die Ohren steif. Wer ein Hundsfott ist, kriegt die Kugel vor den Kopf. Ich bin ein spaßhafter Mann, aber wenn es Ernst wird, versteh ich keinen Spaß. Und nun vorwärts! Feldgeschrei ›Zieten!‹ und Losung ›Hohen-Vietz!‹ Das können sie nicht nachplappern... Und wißt ihr, wer sie holen soll, sie und ihren Kaiser?«
    »Ja, wir.«
    »Nein, der ›Kuckuck‹ soll sie holen«, und dabei wies er auf die kleinen Compagniefahnen der neben ihm stehenden Barnimschen Fahnenträger.
    Diese schwenkten jetzt wieder ihre roten Frieslappen, alle Spielleute fielen ein, und Bamme hatte die Genugtuung, seinen letzten Redetrumpf durch nicht enden wollende Hurras begleitet zu sehen.
    Als sich der Lärm einigermaßen wieder gelegt hatte, ritt er grüßend aus dem Viereck auf die Chaussee zurück. Die Bataillone brachen rasch in Sektionen ab und folgten ihm unter Trommelschlag in das Dorf.
    Auch das »Horn von Uri« klang abwechselnd mit seinem tiefen und seinem hohen Ton dazwischen.
     
Achtzehntes Kapitel
     
Der Aufbruch
    Die Nachmittagsstunden vergingen rascher, als man erwartet hatte; sämtliche Kommandeure waren zu Tisch geladen, und das Gespräch mit ihnen kürzte die Zeit. Selbst Bamme, als er erst wahrnahm, daß es seinen Geschichten und Anekdoten, aller pressanten Lage zum Trotz, an einem aufmerksamen und dankbaren Publikum nicht fehlte, kam über die gefürchteten Stunden in guter Laune hinweg.
    Schon lange vor neun begannen sich die Bataillone zu sammeln und standen nun das Dorf hinauf und hinunter: bei Miekleys Mühle die Vorhut, auf der Straßenerweiterung zwischen dem Krug und dem Schulzenhof die beiden Barnimschen Bataillone, vor dem Herrenhause das Bataillon Lebus. Es war ziemlich dunkel, aber bei dem

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