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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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General mit in den Schulzenhof kommen wollten?«
    »Gewiß, Kniehase, mir sehr willkommen. Habe bei den Vitzewitzes allerlei gehört. Sollen eine schöne Tochter haben, einen wahren Ausbund.«
    »Pflegetochter, Herr General.«
    »Macht mir keinen Unterschied. Die alte herrnhutsche Klucke drüben, die aus Furcht vor mir immer drei Sprüche auf der Zunge hat, hat uns gestern von dem Töchterchen erzählt, so was von Hühnerhof und Schwanenei. Ich gebe nicht viel auf altes Weibergeschwätz, aber ich bin doch neugierig, das Mirakel, das junge Schwänchen, kennenzulernen.«
    Damit hatten sie den Schulzenhof erreicht und traten nach links hin ein, wo Marie, die das Vorführen und Aussuchen der schönen Pferde mit vielem Interesse beobachtet hatte, am Fenster saß. Sie stand jetzt auf, um das Zimmer zu verlassen; der alte General aber, während er sie mit listigen Augen musterte, sagte: »Bitte, bleiben Sie, Sie sollen mit mir zufrieden sein.«
    Und Marie blieb. Bamme nahm einen Stuhl und bemerkte zu dem Schulzen: »Bitte, Kniehase, sagen Sie dem Rittmeister, daß er mich draußen auf der Chaussee erwartet. Ich will von
hier
aus reiten, und lassen Sie der Stute draußen noch eine Decke auflegen; sie kommt von Drosselstein, wird also wohl verwöhnt sein. Ihr Töchterchen erzählt mir unterdessen alte Geschichten. Alte Geschichten, die Sie schon kennen.«
    Kniehase ging.
    Marie, die nicht das Beste von dem Alten wußte, blieb ziemlich ruhig, ruhiger als gestern in der Kirche. Sie hörte bald heraus, daß er es gut mit ihr meinte und daß Teilnahme und selbst Respekt aus seinen Worten sprachen.
    »Ich bin ein alter Mann«, begann er, »und plaudere gern. Am liebsten aber hab ich Menschen, die anders sind als andere. Und dabei bin ich neugierig wie eine Nachtigall. Da müssen Sie mir denn schon ein paar Fragen zugute halten. Nicht wahr, Sie sind kein Hohen-Vietzer Kind, nicht aus dem Bruch?«
    »Nein, ich bin aus dem Sächsischen«, sagte Marie.
    »Ah, aus Sachsen«, fuhr Bamme fort. »Ich dacht es beinah, es hat was auf sich mit dem alten Reim. Und Sie verloren Ihre Eltern früh?«
    »Ja, meine Mutter hab ich kaum gekannt. Dann zog ich mit meinem Vater über Land; aber er kränkelte viel.«
    »Sie zogen mit ihm, wie darf ich das verstehen?«
    »Wir zogen umher und gaben Vorstellungen: Tanz und Deklamation und Zauberei. Erst in kleinen Städten, dann in Dörfern; und hier starb er. Er hat sein Grab oben auf dem Kirchhof, und der alte Jeserich Kubalke, unser Küster und der Vater von der hübschen Maline, hat ihm eine Grabschrift geschrieben.«
    »Und wie kam es
dann?
«
    »Ich weinte herzlich, nicht um meiner Not willen, denn ich hatte nicht das Gefühl davon, aber weil ich ihn so sehr geliebt hatte. Noch jetzt häng ich an ihm und träume von ihm. Sie sehen mich an, Herr General, so freundlich, wie ich nicht gedacht hätte, daß Sie jemanden ansehen könnten. Und das gibt mir einen Mut, von meinem Vater zu sprechen. Ach, die verachteten Menschen, wenn sie gut sind, sind es die besten. Ich habe früh erfahren, wie wenig der Schein bedeutet. Und wie müssen erst unsere Herzen vor Gott liegen, der alles sieht und alles weiß!«
    Sie hatte das mit tiefer Bewegung gesprochen; jetzt schwieg sie und sah ein nervöses Zucken um den Mund des Alten, der seinerseits die Frage wiederholte:
    »Und wie kam es dann?«
    »Es kam dann, was Sie jetzt sehen; die Kniehases nahmen mich in den Schulzenhof hinüber. Es war vor Weihnachten, und er baute mich seiner Frau auf, und ich war ihre Puppe. Ich hatt es gut, zu gut, aber da war die verstorbene gnädige Frau,
die
sah es, und als sie gewahr wurde, daß ich wild aufwuchs und zu sehr meinen Willen hatte, da sorgte sie für das Rechte. Oder, wenn's nicht das Rechte war, doch für das, was sie für das Rechte hielt. Sie nahm mich in das Herrenhaus, und da wurden wir zusammen erzogen, Renate und ich, ich meine das Fräulein und ich. Wir waren in gleichem Alter und immer miteinander.«
    »Und mit Lewin?« fragte Bamme, den wieder die Lust zu necken anwandelte.
    »Ja, auch mit Lewin, bis er in die Stadt kam. Aber wir sind gute Kameraden geblieben.«
    »Und bleiben es auch wohl?«
    »Ich hoff es.«
    Bei dieser Wendung des Gesprächs war Kniehase wieder eingetreten, um zu melden, daß es Zeit sei; drei von den Bataillonen seien schon auf dem Rendezvous am Wäldchen eingetroffen, und das vierte würde sofort antreten. Das war eine willkommene Nachricht. Der alte General empfahl sich, wickelte sich

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