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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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das Haus, den Hof und bogen zuletzt in den oft genannten Hügelweg ein, der zur Kirche hinaufführte. Als sie bis dicht heran waren, erglühte der Horizont im Widerschein der eben untergegangenen Sonne. Der alte Kubalke schloß auf, und eine kleine Weile noch, so stand der Tote vor dem Altar.
     
    Es war eben neun Uhr, als eine Chaise vor dem Herrenhause hielt, deren Ankunft, da das Stroh noch lag, von niemandem, am wenigsten von Jeetze, der ohnehin schlecht hörte, bemerkt worden war. Endlich ward es hell an den Fenstern, und gleich darauf erschien Lewin und trat an den Wagenschlag, um dem alten Ladalinski, denn er war es, beim Aussteigen behilflich zu sein. Das Aussehen des Geheimrats zeigte sich wenig verändert; seine Haltung war gerade und aufrecht, Anzug und Haar geordnet. Er fragte nach Renate, die nicht zugegen war, und folgte dann Berndt in das Eckzimmer, in dem ein hohes Kaminfeuer brannte und der Teetisch nach russischer Art, wie der Gast es liebte, hergerichtet war. Bamme und Hirschfeldt wollten sich zurückziehen, wurden aber aufgefordert zu bleiben, ebenso die Schorlemmer. Alle setzten sich, Tee wurde gereicht und von der Fahrt gesprochen. Es sei nicht möglich gewesen, Berlin vor Mittag zu verlassen; allerhand Anordnungen hätten den Moment der Abreise hinausgeschoben.
    Unter solchem Geplauder vergingen Minuten, ohne daß des Ereignisses, das den Geheimrat hierher geführt hatte, erwähnt worden wäre. Er bat um ein zweites Glas Tee, und erst als er auch dieses geleert und dabei den Wunsch ausgesprochen hatte, seine Weiterreise so bald wie möglich antreten zu können, sagte Berndt:
    »Hab ich recht verstanden? Weiterreise?«
    Der Geheimrat nickte.
    »So werden Sie nicht unmittelbar nach Berlin zurückkehren?«
    »Nein. Ich gedenke gleich von hier aus die Leiche meines Sohnes nach Bjalanowo überzuführen. Alle Ladalinskis stehen dort. Das Leben hat seine Forderungen, aber auch der Tod. Es liegt mir daran, im Sinne meines Sohnes zu handeln, der, wie mir wohl bewußt, diesen Zug nach der Heimat hatte.«
    Hirschfeldt wollte berichtigen; Berndt aber, der den Eigensinn Ladalinskis kannte und von mancher früheren Erfahrung her wußte, daß unbequeme Mitteilungen wohl das Gemüt seines Gastes beunruhigen, aber an seinen Entschlüssen nichts ändern konnten, ergriff deshalb statt des Rittmeisters das Wort und beeilte sich, ohne weiteres seine Zustimmung auszusprechen. Hirschfeldt erriet die Absicht, und so wurde denn festgestellt, daß um neun Uhr früh die Weiterreise stattfinden und zur Überführung des Toten ein Schlitten, am besten ein Planschlitten, leicht und einspännig, beschafft werden solle. Alles regelte sich rasch und kurz, und nun erst sagte der Geheimrat, indem er sich erhob:
    »Ich wünsche meinen Sohn zu sehen.«
    »Er steht in der Kirche oben«, bemerkte Berndt. »Vor dem Altar. Es war sein letzter Wunsch.«
    »So will ich hinauf. Aber allein, Vitzewitz. Ich bitte nur um die Begleitung Ihres Küsters. Ein Alter, hoff ich.«
    Dies konnte bejaht werden, und das Gespräch, das sonst ins Stocken geraten wäre, wandte sich jetzt mit Vorliebe und Ausführlichkeit dem Umstande zu, daß es im ganzen Oderbruche kein Dorf gäbe, in dem die Leute so alt würden wie in Hohen-Vietz. Immer neue Beispiele wurden gefunden, erst der alte Wendelin Pyterke und dann Seidentopfs Amtsvorgänger, der seine diamantene Hochzeit gefeiert und drei Tage später einen kleinen Ururenkel getauft habe. Schwäche halber freilich habe er die Taufformel im Sitzen sprechen müssen. Und bei diesem Amtsvorgänger und seinem Ururenkel – dessen Existenz übrigens, wie wenn es sich um eine Unschicklichkeit gehandelt hätte, von der Schorlemmer bestritten wurde – verweilte das Gespräch noch, als Jeetze meldete, daß der alte Kubalke angekommen sei und draußen warte.
    Alle gingen ihm entgegen. Er stand in der Halle und hielt den Kirchenschlüssel und eine große Laterne in seiner linken Hand. Mit der rechten nahm er sein Sammetkäppsel ab und grüßte.
    »'s ist schon spät, Papa«, sagte Ladalinski. »Mehr Bettzeit als Kirchenzeit. Aber Ihr wißt-«
    Und damit verließen beide den Flur und traten in die mit allerhand Strauchwerk besetzten Parkgänge hinaus. Lewin und Hirschfeldt waren ihnen bis an die Hoftüre gefolgt. »Wie bei Plaa«, sagte jener und setzte nach einer kurzen Pause hinzu: »Aber dieser Gang ist schwerer.«
    Hirschfeldt nickte still, und beide kehrten in das Eckzimmer zurück.
    Die beiden Alten stiegen

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