Vor dem Urknall
im Spiralnebel im Sternbild Andromeda, oder M 31 nach dem Messier-Katalog. (Der französische Astronom Charles Messier katalogisierte in den 1770 er Jahren mehr als hundert Nebel und Sternhaufen, weil ihn die häufigen Berichte ärgerten, in denen Nebel mit neuen Kometen verwechselt wurden. Viele der sichtbarsten Nebel sind auch heute noch unter ihrer Nummer in Messiers Katalog bekannt.)
Heute wissen wir, dass M 31 die der Milchstraße nächstgelegene Galaxie ist, aber damals wurde behauptet, es könnte lediglich eine helle Wolke in der Milchstraße sein. Das 2 , 5 -Meter-Teleskop war der einzige Apparat auf der Welt, mit dem man derart weit entfernte Cepheiden aufspüren konnte. Mit seiner Hilfe fand Hubble heraus, dass das Timing des Cepheiden-Sterns im Andromeda-Sternbild mit einer schockierenden Einsicht verbunden war. Aufgrund seiner Periode von knapp über einem Monat berechnete er die Entfernung des Cepheiden-Sterns und kam auf 900 000 Lichtjahre, was weit über die Grenzen der Milchstraße hinausging. Obwohl er ein Mitglied der Mount-Wilson-Gruppe war, die an der Theorie festhielt, die Milchstraße sei das Universum, hatte er seine Kollegen widerlegt.
Ein ganz neuer Maßstab
Hubbles Messungen legten nahe, dass nach traditioneller Ansicht auf Mount Wilson die Größe des Universums enorm unterschätzt wurde. Unsere Galaxie war nur eine von vielen in der riesigen und möglicherweise unendlichen Weite des Weltalls. Wahrscheinlich hätte so mancher Wissenschaftler, vor allem im medienverrückten 21 . Jahrhundert, nach einer solchen Entdeckung eine Pressekonferenz einberufen, um der Welt diese bemerkenswerte Entdeckung mitzuteilen. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, was Hubble getan hatte. Bevor er seine Arbeit aufnahm, herrschte Konsens darüber, dass die Milchstraße eine Scheibe mit einem Durchmesser von rund 100 000 Lichtjahren war. Jetzt hatte Hubble einen Nebel entdeckt, der fast zehnmal so weit entfernt und, mit bloßem Auge erkennbar, der hellste Fleck am Himmel war. Das Universum war auf einen Schlag enorm viel größer geworden.
Hubble machte jedoch, wie es sich für einen guten Wissenschaftler gehört, noch weitere Aufnahmen des Andromedanebels, statt seine Ergebnisse sofort herauszuposaunen. Er suchte nach zusätzlichen Bestätigungen seiner Resultate und entdeckte dabei einen zweiten veränderlichen Cepheiden-Stern, der seine Ergebnisse untermauerte. Drei Monate nach der ersten Lokalisierung des wegweisenden Sterns ging er an die Öffentlichkeit. Angesichts des Rufs von Mount Wilson als geistige Heimat der Theorie «Die Milchstraße ist das Universum» wollte er hundertprozentig sicher sein, bevor er einen Angriff auf die «Familientradition» von Mount Wilson wagen konnte.
Noch bemerkenswerter war, dass Hubble Beweise fand, die eine Theorie seines Zeitgenossen Willem de Sitter bestätigten, eines niederländischen Astronomen. Nach dessen Vorstellung war die Größe des Universums nicht festgelegt, sondern expandierte kontinuierlich. Auf diese Enthüllung Hubbles kommen wir in Kapitel 5 noch einmal zurück, wenn wir die allmähliche Entstehung des Urknallkonzepts erforschen. Vorläufig hatte Hubble uns also den ersten echten Einblick in die Dimension des Universums verschafft.
Mitte der 1930 er Jahre war Hubble so weit, erheblich detailliertere Erklärungen zur Naturgeschichte des Universums selbst abzugeben. In einem Referat vor der National Academy of Science in Washington im April 1934 stellte Hubble einige imponierende und umwälzende Behauptungen auf. So sagte er, das Universum sei eine «endliche Kugel» mit einem Durchmesser von 6 Milliarden Lichtjahren, und es bestünde aus 500 Billionen Nebeln: «Jede Einheit ist 80 Millionen mal heller als die Sonne und 800 Millionen mal so massereich.»
Zwangsläufig waren einige der Behauptungen Hubbles kaum mehr als Spekulationen. Die Anzahl der Galaxien zum Beispiel war schlicht aus der Luft gegriffen. Einzige Anhaltspunkte waren die Häufigkeit ihres vermeintlichen Auftauchens in der jeweiligen Region und die vermutete Größe des Universums. Aber es gab noch eine viel grundlegendere Komponente der Hubble’schen Arbeit, die auf einem gleichermaßen wackligen Fundament stand. Zwar war es ihm gelungen, mit Hilfe von veränderlichen Cepheiden die Entfernung zu der Galaxie im Andromeda-Sternbild zu messen, aber seine Technik war auf weiter entfernte Galaxien nicht anwendbar, weil er in diesem Bereich keine ausreichend hellen
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