Vor der Flagge des Vaterlands
nötig, ihn zu fesseln und
seinen Mund zu schließen. Es genügte vielmehr, daß ihn
zwei Matrosen, der eine am Kopf, der andere an den Füßen
packten und ihn so zum Boot trugen, das unter der Obhut
des Obersteuermanns der Goélette am Ufer lag.
Das geschah denn auch in kürzester Zeit.
Kapitän Spade verließ das Zimmer als letzter, löschte die
Lampe darin aus und verschloß die Tür. So durfte er anneh-
men, daß die Entführung nicht vor dem nächsten Morgen
entdeckt wurde, oder daß das doch mindestens bis zu den
ersten Frühstunden dauerte.
In gleicher Weise wie der Kranke wurde auch Gaydon
weggeschafft, was nun keine Schwierigkeit machte. Die bei-
den anderen Seeleute hoben ihn auf und trugen ihn durch
den Garten zu der Tür in der Mauer.
In diesem Teil des gänzlich verlassenen Parks herrschte
tiefste Finsternis. Man sah von hier aus und den Hügel hi-
nauf nicht einmal den Lichtschein aus den Hauptgebäuden
und den anderen Pavillons von Healthful House.
Vor der Tür angelangt, brauchte Kapitän Spade diese nur
aufzuschlagen.
Die beiden Leute, die den Pfleger trugen, durchschritten
sie zuerst. Dann wurde Thomas Roch auf den Armen der
beiden andern hinausgeschafft. Endlich ging auch Kapitän
Spade hinaus und verschloß die Pforte mit dem richtigen
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Schlüssel, den er ins Wasser der Neuze werfen wollte, wenn
er sich wieder im Boot von der ›Ebba‹ befand.
Auf dem Weg und am Ufer befand sich keine Seele.
Nach 20 Schritten waren alle schon bei dem Obersteu-
ermann Effrondat, der hier am Abhang sitzend gewartet
hatte.
Thomas Roch und Gaydon wurden im Heck des Bootes
niedergelegt, und zuletzt nahm auch Kapitän Spade wieder
Platz.
»Schnell den Dregganker herein!« befahl er dem Ober-
steuermann.
Dieser gehorchte dem Befehl, stieß das Fahrzeug etwas
ab und stieg selbst ein.
Die vier Riemen tauchten ins Wasser und das Boot glitt
auf die Goélette zu. Eine Laterne am Fockmast zeigte ihre
Lage an. Unter der steigenden Flut hatte sich das Schiff un-
terdessen gedreht.
2 Minuten später lag das Boot schon mit der ›Ebba‹ Bord
an Bord.
Graf d’Artigas lehnte auf der Schanzkleidung neben de-
ren Lücke, die zur Außentreppe führte.
»Ist’s gelungen, Spade?« fragte er hinunter.
»Vollständig.«
»Alle beide! . . . Der Wächter und der Bewachte!«
»In Healthful House hat niemand Verdacht geschöpft?«
»Kein Mensch.«
Es war nicht anzunehmen, daß Gaydon, dem die Binde
die Ohren und beide Augen verschloß, die Stimmen von
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Graf d’Artigas und Kapitän Spade hätte wiedererkennen
können.
Wir fügen hier auch ein, daß weder er noch Thomas
Roch unmittelbar an Bord der Goélette gehievt wurden.
Längs des Schiffsrumpfs ließ sich vielmehr ein Geräusch
wie vom Anstreifen eines Gegenstands vernehmen, und es
verging eine halbe Stunde, ehe Gaydon, der seine Kaltblü-
tigkeit unverändert bewahrt hatte, fühlte, daß er von neuem
aufgehoben, in die Höhe gezogen und dann zum Grund des
Laderaums hinabgelassen wurde.
Die Entführung war gelungen; es schien, als ob die
›Ebba‹ nur noch die Anker zu lichten brauchte, das Strom-
becken hinabzugleiten und nach dem Pamplico-Sund hin-
zusteuern, um das hohe Meer zu erreichen. Dennoch wurde
an Bord nichts unternommen, was auf eine Abfahrt des
Schiffes deutete.
Es mochte zwar gewagt erscheinen, an dem Ort zurück-
zubleiben, wo im Lauf des Abends die Doppelentführung
ausgeführt worden war; Graf d’Artigas hatte seine Gefan-
genen aber so geschickt verbergen lassen, daß sie nicht ent-
deckt werden konnten, auch wenn die ›Ebba‹, deren Still-
liegen ganz in der Nähe von Healthful House verdächtig
erscheinen konnte, von Polizeibeamten aus New Berne
durchsucht werden sollte.
Jedenfalls schliefen, 1 Stunde nach der Rückkehr des
Bootes – mit Ausnahme der Leute, die auf dem Bug wach-
ten – die übrigen Mannschaftsmitglieder in ihrem Raum,
Graf d’Artigas, Serkö und Kapitän Spade in ihren Kabinen
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an Bord der Goélette, die unbeweglich auf dem stillen Mün-
dungsbecken der Neuze lag.
4. KAPITEL
Die Goélette ›Ebba‹
Erst am folgenden Morgen und ohne besondere Eile began-
nen auf der ›Ebba‹ die Vorbereitungen zur Abfahrt. Von der
Spitze des Kais von New Berne aus konnte man sehen, wie
die Matrosen nach dem üblichen Scheuern des Decks die
Segel aus ihren Hüllen zogen, unter Leitung des Obersteu-
ermanns Effrondat die Beschlagleinen
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