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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ging nun eben daran, die Anker zu
    lichten. Im ganzen schien sich Graf d’Artigas wegen der von
    der Regierung getroffenen Maßnahmen nicht die geringste
    Sorge zu machen, so wenig wie wegen der Folgen, die es
    für ihn haben konnte, wenn Thomas Roch und sein Pfleger
    Gaydon auf seinem Schiff gefunden wurden.
    Gegen 9 Uhr waren die letzten Vorbereitungen abge-
    schlossen. Die Mannschaft der Goélette drehte schon das
    Gangspill. Die Ketten rasselten durch die Klüsen, und so-
    bald die Anker senkrecht hingen, wurden schnell die Segel
    beigesetzt.
    Wenige Augenblicke später wendete die ›Ebba‹ unter
    dem Druck des Großsegels, des Fock- und des dreieckigen
    Segels, sowie der beiden Klüver- und der Jagersegel ihren
    Bug nach Osten, nachdem sie um das linke Ufer der Neuze
    herumgekommen war.
    Etwa 25 Kilometer von New Berne bildet das Strombe-
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    cken einen scharfen Winkel von ziemlich gleicher Länge,
    der in nordwestlicher Richtung verläuft. Nachdem die
    ›Ebba‹ Croatan und Havelock passiert hatte, erreichte sie
    dieses Knie und segelte nun, den Wind vom linken Ufer her
    abfangend, nach Norden.
    Es war 11 Uhr geworden, als sie, von der Brise begüns-
    tigt und ohne dem Kreuzer oder den Dampfbarkassen be-
    gegnet zu sein, die Spitze der Insel Sivan erreichte, jenseits
    welcher der Pamplico-Sund sich ausbreitet.
    Diese große Wasserfläche mißt von der Insel Sivan bis
    zum Ende der Insel Roanoke an die 100 Kilometer. Nach
    dem Meer zu ist sie von einer Kette langer, schmaler Inseln
    und ebensovieler natürlicher Dämme abgeschlossen, die in
    südnördlicher Richtung vom Kap Look-out bis zum Kap
    Hatteras und von diesem bis zum Kap Henri in der Höhe
    der Stadt Norfolk verlaufen. Letztere liegt schon im Staat
    Virginia, dem nördlichen Grenznachbar North Carolinas.
    Der Pamplico-Sund wird von vielen, auf den Inseln und
    Eilanden verstreuten Feuern erleuchtet, um die Schiffahrt
    darauf auch in der Nacht zu ermöglichen. Daher finden die
    Schiffe, die Schutz vor dem zu starken Wogenschlag des At-
    lantischen Ozeans suchen, hier leicht einen sicheren Platz
    mit gutem Ankergrund.
    Zwischen dem Pamplico-Sund und dem Ozean öff-
    nen sich mehrere Durchfahrten. In der Nähe des Leucht-
    turms der Insel Sivan trennt das Ocracoke-Inlet die Insel-
    kette, oberhalb von ihm das Hatteras-Inlet und noch weiter
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    nördlich die drei übrigen, die die Namen Logger Head, New
    Head und Oregon führen.
    Bei der von der Goélette eingehaltenen Richtung kam sie
    auf das Ocracoke-Inlet zu und man mußte annehmen, daß
    sie dieses zur Durchfahrt benutzen wollte, wenn sie ihre Se-
    gelstellung beibehielt.
    Die ›Falcon‹ bewachte freilich gerade diesen Teil des
    Pamplico-Sunds und durchsuchte alle Handelsschiffe und
    Fischerbarken, die aus ihm heraus aufs Meer hinaus segel-
    ten.Gegenüber dem Ocracoke-Inlet angelangt, näherte sich
    die ›Ebba‹ diesem jedoch weder weiter, noch suchte sie
    den Dampfschaluppen aus dem Weg zu gehen, die auf dem
    Pamplico-Sund umherkreuzten. Es hatte den Anschein, als
    mache die Vergnügungsyacht nur eine Morgenspazierfahrt,
    und sie setzte ihren Weg gemächlich nach der Hatteras-
    Durchfahrt zu fort.
    Ohne Zweifel leiteten Graf d’Artigas nur ihm bekannte
    Gründe, dieses Inlet (eigentlich Einlaß) zu passieren, denn
    die um ein Viertel anluvende Goélette schlug jetzt den Weg
    dahin ein.
    Bis zu dieser Minute war die ›Ebba‹ weder von Zollbe-
    amten noch von den Offizieren des Kreuzers angesprochen
    worden, obwohl sie nichts tat, sich diesen zu entziehen. Üb-
    rigens wäre es auch kaum möglich gewesen, von den Beam-
    ten unbemerkt wegzukommen.
    Daß ihm behördlicherseits ausnahmsweise zugestan-
    den worden wäre, von der Belästigung durch eine Durch-
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    suchung verschont zu bleiben, und daß man Graf d’Artigas
    vielleicht für eine zu hochstehende Persönlichkeit angese-
    hen hätte, um seine Fahrt auch nur für eine einzige Stunde
    zu unterbrechen . . . das war gar nicht anzunehmen, denn
    von ihm als Fremden, der die Lebensweise eines mit Reich-
    tümern gesegneten großen Herrn führte, wußte eigentlich
    niemand, wer er war, woher er kam oder wohin er ging.
    Die Goélette setzte also graziös und schnell ihre Fahrt
    über das ruhige Wasser fort. Ihre Flagge, ein goldener Halb-
    mond in der Ecke eines roten Flaggentuchs, flatterte weit
    ausgebreitet in der Luft.
    Graf d’Artigas saß auf dem Hinterdeck in einem der
    Rohrlehnstühle, wie sie an Bord von

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