Vor der Flagge des Vaterlands
daß er ebensowenig wie
ich aus diesem Gefängnis auf Back-Cup in die Freiheit zu-
rückkehren wird . . . Ja, ich werde seine menschlichen Ge-
fühle wachrufen, ihm das Unheil ausmalen, für das ihm die
Verantwortung zufällt, wenn er seine Geheimnisse nicht für
sich behält . . .
Bis dahin war ich mit meinen Gedanken gekommen, als
ich mich plötzlich von hinten gepackt fühlte.
Zwei Männer hielten mich an den Armen, ein dritter trat
vor mich hin.
Ich wollte um Hilfe rufen.
»Keinen Laut!« raunte mir der Mann englisch zu. »Sind
Sie nicht Simon Hart?«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich sah Sie aus Ihrer Zelle herauskommen.«
»Wer sind Sie denn?«
»Leutnant Davon, von der britischen Flotte, an Bord der
›Standard‹ von der Station an den Bermudas-Inseln.«
Es war mir unmöglich zu antworten, so beklemmte mich
eine plötzliche Aufregung.
»Wir kommen, um Sie den Händen Ker Karrajes zu ent-
reißen und mit Ihnen den französischen Erfinder Thomas
Roch wegzuführen«, fügte Leutnant Davon hinzu.
— 247 —
»Thomas Roch?« stammelte ich.
»Ja; das mit Ihrem Namen unterzeichnete Schriftstück
ist am Strand von Saint Georges aufgefunden worden.
»In einem Tönnchen, Leutnant Davon, einem Tönnchen,
das ich ins Wasser dieser Lagune geworfen hatte . . .«
»Und das die Mitteilung enthielt, durch die wir erfuh-
ren, daß das Eiland von Back-Cup Ker Karraje und seiner
Bande als Schlupfwinkel diente . . . dem Ker Karraje, jenem
falschen Grafen d’Artigas, dem Urheber der Doppelentfüh-
rung aus Healthful House . . .«
»Ach, Herr Leutnant . . .«
»Jetzt ist kein Augenblick zu verlieren. Wir müssen uns
die Dunkelheit zunutze machen . . .«
»Nur ein Wort, Leutnant Davon! Wie haben Sie ins In-
nere von Back-Cup gelangen können?«
»Mit dem Unterseeboot ›Sword‹, das schon seit 6 Mona-
ten bei Saint Georges Übungsfahrten macht.«
»Ein Unterseeboot?«
»Ja, es erwartet uns hier am Felsenrand.«
»Da . . .? Da?« wiederholte ich.
»Wo ist Ker Karrajes Tug, Mr. Hart?«
»Seit 3 Wochen weggefahren.«
»Ker Karraje weilt nicht auf Back-Cup?«
»Nein, doch wir sehen täglich, ja stündlich, seiner Rück-
kehr entgegen.«
»Egal!« antwortete Leutnant Davon. »Es geht jetzt nicht
um Ker Karraje; wir haben nur Befehl, Thomas Roch zu
entführen, und zwar mit Ihnen, Mr. Hart. Die ›Sword‹ wird
— 248 —
diese Lagune nicht eher verlassen, als bis wir Sie beide an
Bord haben! Kehrte sie überhaupt nicht wieder nach Saint
Georges zurück, so bedeutet das ein Scheitern meiner Mis-
sion, und man wird einen weiteren Versuch machen . . .«
»Wo liegt die ›Sword‹, Herr Leutnant?«
»Hier an dieser Seite . . . im Schatten des Ufers, wo sie nie-
mand sehen kann. Dank Ihren Angaben haben wir, meine
Leute und ich, den Eingang zu dem Unterwassertunnel ge-
funden. Die ›Sword‹ ist glücklich hindurchgekommen und
erst vor 10 Minuten zur Oberfläche der Lagune aufgestie-
gen. Zwei meiner Leute haben mich ans Ufer begleitet. Ich
sah Sie aus der auf Ihrem Plan angegebenen Zelle treten.
Wissen Sie, wo Thomas Roch jetzt ist?«
»Nur wenige Schritte von hier. Er kam eben erst vorüber
und begab sich in sein Labor.«
»Gott sei gelobt, Mr. Hart!«
»Ja und Amen, Leutnant Davon!«
Der Leutnant, seine beiden Begleiter und ich schlugen
nun den um die Lagune führenden Fußweg ein. Kaum 10
Meter weit gekommen, gewahrte ich Thomas Roch. Sich auf
ihn stürzen, ihm den Mund verschließen, so daß er nicht
schreien konnte, ihn fesseln, so daß er sich nicht zu rüh-
ren vermochte, und ihn nach der Stelle zu bringen, wo die
›Sword‹ leicht vertäut lag – das vollzog sich alles in weniger
als 1 Minute.
Diese ›Sword‹ war ein untertauchbares Boot von etwa 12
Tonnen, sie war also in Ausmaßen und Leistung dem Tug
entschieden unterlegen. Zwei von Akkumulatoren gespeiste
— 249 —
Dynamos – die Akkumulatoren hatte man in Saint Geor-
ges erst 12 Stunden vorher frisch geladen – übertrugen ihre
Bewegung auf seine Schraube. Doch wie sie auch war, die
›Sword‹ mußte reichen, uns aus unserem Kerker zu entfüh-
ren, der Freiheit wiederzugeben . . . jener Freiheit, an die ich
zu glauben fast schon verlernt hatte! Endlich sollte Thomas
Roch den Händen von Ker Karraje und Ingenieur Serkö
entrissen werden . . . Die Schurken sollten seine Erfindung
nicht ausnützen können. Kein Hindernis würde es Schiffen
verwehren, sich dem Eiland zu nähern,
Weitere Kostenlose Bücher