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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Tür und harrte nun
    in tiefster Finsternis der Dinge, die da kommen sollten.
    Da fühlte ich bald die Manöver, welche die ›Sword‹ aus-
    führte, um dem Tug zu entgehen, wie sie seitwärts auswich,
    sich drehte und untertauchte. Bald schoß sie rasch beiseite,
    um einem Stoß zu entgehen, bald stieg sie zur Oberfläche
    hinauf und sank bis zum Grund der Lagune hinab. Wer
    könnte sich den Kampf der beiden Fahrzeuge unter dem
    wogenden Wasser ausmalen, die wie zwei Seeungeheuer
    von ungleicher Kraft hin und her stürmten?
    Einige Minuten waren vergangen . . . Ich fragte mich, ob
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    die Verfolgung nicht eingestellt sei und die ›Sword‹ endlich
    den Tunnel habe erreichen können.
    Da erfolgte eine Kollision . . . Der Stoß schien mir sehr
    heftig gewesen zu sein. Ich konnte mich aber keiner Täu-
    schung hingeben, die ›Sword‹ war es, die der Stoß an ihrer
    Steuerbordseite getroffen hatte. Vielleicht hatte ihr stähler-
    ner Rumpf noch widerstanden, oder im anderen Fall war
    Wasser nur in eine ihrer Abteilungen eingedrungen . . .
    Fast sofort warf ein zweiter, diesmal sehr heftiger Stoß
    die ›Sword‹ rückwärts. Es schien, als würde sie vom Ramm-
    sporn des Tugs emporgehoben, so daß sie umschlug. Dann
    fühlte ich, wie sie sich, den Bug oben, aufrichtete und durch
    die zu große Last des Wassers, das die hintere Abteilung er-
    füllen mochte, senkrecht versank . . .
    Ungestüm wurden wir, Thomas Roch und ich, ohne
    an den Wänden Halt finden zu können, übereinander ge-
    schleudert. Endlich, nach einem letzten Stoß, der vom Ge-
    räusch zerreißender Eisenplatten begleitet war, streifte die
    ›Sword‹ den Grund und blieb unbeweglich liegen.
    Was von dieser Minute an geschehen ist, weiß ich nicht,
    da ich das Bewußtsein verlor.
    Später hab’ ich erfahren, daß meine Lage lange Stunden
    hindurch unverändert blieb. Ich entsinne mich nur, daß
    mein letzter Gedanke der gewesen war:
    »Wenn ich sterbe, so sterben Thomas Roch und sein Ge-
    heimnis mit mir . . . und die Piraten von Back-Cup werden
    ihrer längst verdienten Strafe nicht entgehen!«

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    — 260 —
    15. KAPITEL
    In Erwartung
    Als ich wieder zu mir komme, sehe ich, daß ich auf der Liege
    in meiner Zelle ausgestreckt bin, wo ich, wie es scheint, seit
    30 Stunden gelegen habe.
    Ich bin nicht allein. Ingenieur Serkö ist bei mir. Er hat
    mir alle mögliche Pflege angedeihen lassen . . . hat mich per-
    sönlich gepflegt, nicht als einen Freund, mein’ ich, sondern
    als einen Mann, von dem man unentbehrliche Aufschlüsse
    erwartet, und dessen man sich ebenso leichten Herzens ent-
    ledigt, wenn das allgemeine Interesse es erfordert.
    Noch sehr geschwächt, war es mir unmöglich, einen
    Schritt zu tun. Es hatte wenig gefehlt, so wär’ ich in der en-
    gen Abteilung der ›Sword‹ erstickt, als sie unter dem Wasser
    der Lagune lag. Doch wenn ich auch imstande bin, auf die
    Fragen zu antworten, die Ingenieur Serkö gewiß brennt, mir
    über jenes Abenteuer zu stellen, werd’ ich mir auf jeden Fall
    die äußerste Zurückhaltung auferlegen.
    Zuerst frag’ ich mich, wo Leutnant Davon und die Be-
    satzung der ›Sword‹ wohl sein mögen. Wären die mutigen
    Engländer bei der Kollision umgekommen? . . . Sind sie
    ebenso heil und gesund wie wir? . . . denn ich nehme an,
    daß Thomas Roch nach dem wiederholten Zusammenstoß
    des Tugs und der ›Sword‹ ebenfalls mit dem Leben davon-
    gekommen ist.
    Da stellt mir Ingenieur Serkö schon eine erste Frage.
    »Erklären Sie mir, was hier vorgegangen ist, Mr. Hart!«
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    Statt zu antworten, kommt mir der Gedanke, ihn zu be-
    fragen.
    »Und Thomas Roch?« stoß’ ich hervor.
    »Geht es sehr gut, Mr. Hart. Doch was ist hier vorgefal-
    len?« wiederholt er in gebieterischem Ton.
    »Vor allem«, lenke ich ab, »sagen Sie mir, was aus den an-
    dern geworden ist.«
    »Welchen andern?« erwidert Serkö, dessen Auge einen
    drohenden Glanz annimmt.
    »Aus den Leuten, die mich und Thomas Roch überfallen,
    uns geknebelt . . . fortgeschleppt . . . eingeschlossen haben . . .
    Wo? das weiß ich freilich selbst nicht!«
    Eine flüchtige Überlegung sagt mir, daß es am besten ist,
    mich so zu stellen, als ob ich an jenem Abend das Opfer
    eines plötzlichen Überfalls geworden wäre, währenddessen
    mir keine Zeit blieb, die Urheber dieses Angriffs zu erken-
    nen.»Wie die Sache für jene abgelaufen ist«, antwortet Inge-
    nieur Serkö, »das werden Sie schon noch erfahren.

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