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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Obwohl sie ihren Vater sofort identifiziert hatte, zeigte ihr Dr. Pargannas peinlich genau das »Semper Fi«-Tatoo und andere besondere Merkmale, weil er sichergehen wollte, daß sie nicht übereilt geurteilt hatte, oder vielleicht auch, weil Marc in Gedanken versunken war und nichts tat, um die Vorfüh-rung zu beenden. Er hätte sich ohrfeigen können; er hätte die Vorführung sofort, nachdem sie ihn identifiziert hatte, abbrechen sollen.
    »Danke, Doe«, sagte er deshalb nun, stützte sich mit einer Hand auf ihre Stuhllehne und legte die andere vor ihr auf die Tischplatte, was aussah, als würde er sie umarmen, ohne sie dabei tatsächlich zu berühren. Er sah, wie sie sich kurz versteifte, eine instinktive Reaktion auf seine besitzergreifende Geste, doch war sie viel zu erregt, um bewußt wahrzunehmen, was er da gerade getan hatte. Ihre wunderschönen dunklen Augen richteten sich ernst auf ihn, wandten sich aber gleich wieder ab, als sie den seinen begegneten, doch er konnte noch die Erleichterung darin lesen.
    Sie verbarg es gut, rutschte ein wenig zur Seite, so daß sie aus dem Stuhl und von ihm weg schlüpfen konnte. Dann richtete sie sich auf. »Was muß ich jetzt machen?« fragte sie in forschem Ton.
    »Ein paar Papiere unterzeichnen, damit wir die Leiche freigeben können«, entgegnete Dr. Pargannas und blinzelte dann verwirrt, weil Marc ihn mit einem scharfen Blick streifte. »Äh - ich meine, die sterblichen Überreste ihres Vaters.« Der arme Doktor war durcheinander. Er hätte einen solchen Takt ja verstanden, wenn sie sichtlich aufgebracht gewesen wäre, aber bei einer so kühlen und beherrschten Frau wie ihr hielt er es für reine Zeitverschwendung.
    Marc hatte sich ebenfalls aufgerichtet, als sie sich vom Stuhl erhob. Er merkte, wie gerade, ja steif sie sich hielt. »Ich werde ein Bestattungsinstitut für Sie anrufen und sie dann zu ein paar kleineren Friedhöfen fahren, damit Sie sich einen Grabplatz aussuchen können - falls es das ist, was Sie wollen«, sagte er in ruhigem Ton.
    »Ja, vielen Dank«, versicherte sie hastig.
    »Also gut, dann wollen wir das mit den Papieren mal hinter uns bringen. Doe?« Verdammt, diese dunklen Augen gingen ihm allmählich ganz schön an die Nieren. Und den Magen. Er fühlte sich nämlich an wie ein Haufen Steine. Er hätte sie am liebsten in die Arme genommen und ganz fest gehalten, damit sie wußte, daß sie nicht allein war, aber das wäre zu früh gewesen, sie wäre nur in Panik geraten. Er mußte sich zurückhalten, bis sie sich in seiner Gegenwart wohl genug fühlte.
    Also legte er ihr statt dessen die Hand an den unteren Rücken, wo er ihre Wärme durch den Stoff des Kostüms fühlen konnte. Er wußte, daß die Wärme seiner Hand an einer derart sensiblen Stelle tröstlich auf sie wirken würde. An einem normalen Tag hätte sie wahrscheinlich einen Satz gemacht und ihn mit einem frostigen Blick angefunkelt, aber sie war müde und litt ziemlich unter der Hitze, außerdem wurde sie emotional durch den Fleischwolf gedreht. Sie war viel zu angespannt, um seine Berührung auch nur zu bemerken, außer vielleicht mit einer gewissen Erleichterung über seine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft.
    Dr. Pargannas starrte ihn mit nachdenklicher Verwirrung an. »Hmm? Oh - ja, natürlich. Führen Sie Miss Whitlaw schon mal in mein Büro, ich werde in einer Minute da sein. Möchte einer von Ihnen eine Tasse Kaffee?«
    Marc spürte, wie Karen bei diesem Vorschlag erschauderte. »Ich besorg uns was Kaltes aus dem Getränkeautomaten«, meinte er und drängte sie gleichzeitig sanft aus dem Konferenzzimmer in das kleine, unordentliche Büro im Gang gleich gegenüber.
    Dreißig Minuten später führte er sie zurück zum Auto. Die zweite Cola hatte sie wieder ein wenig auf den Damm gebracht, aber ihr Blutzuckerspiegel würde schon bald wieder absinken; was sie brauchte, war etwas zu essen. Er dachte einen Augenblick nach. Ein gemütliches Essen in einem kühlen Restaurant wäre das beste, aber dagegen würde sie sich höchstwahrscheinlich sträuben. Nicht nur, daß sie es für eine unerträgliche Verzögerung halten würde, wo sie so viel zu tun hatten, es käme ihr wahrscheinlich auch zu sehr wie eine Verabredung vor, wenn sie gemeinsam im Restaurant säßen. Weniger günstig, für sie aber wohl akzeptabler, war da schon ein kleiner Imbiß im Auto, während sie fuhren. Ja, er konnte an einem Drive-In vorbeifahren und etwas mitnehmen.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, rasch

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