Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard

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Sorglosigkeit zu verstecken, vielleicht ja, als ihr Vater sie und ihre Mutter im Stich ließ. Kinder lernen schnell, die Starken zu spielen, auch wenn sie innerlich noch so zittern.
    Wenn er die Anzeichen richtig las, dann versuchte sie im Moment, sich mit allen Mitteln zusammenzureißen, würde sich aber später, wenn sie allein war, die Augen aus dem Kopf heulen.
    Das gefiel ihm nicht. Eine Frau brauchte eine starke Schulter, an der sie sich ausweinen konnte. Seine starke Schulter, um genau zu sein.
    Sein widerwillig empfundenes sexuelles Interesse an ihr wandelte sich mit einemmal in etwas Scharfes, Brennendes, ja Drängendes, und diesmal versuchte er erst gar nicht, sich die Sache auszureden.
    Marc wußte, ohne eingebildet zu sein, daß er ein verdammt guter Cop war. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt damit, Bruchstücke von Informationen zu sammeln und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Sein Instinkt traf den Kern meist haargenau, aber in diesem Fall hatte er sich von ein paar Fehlannahmen den Blick vernebeln lassen, und sie hatte seine feindselige Haltung aufgefangen. Teufel, falls er recht hatte und sie wirklich so sensibel war, dann hatte er sie mit seiner Haltung wahrscheinlich förmlich umgepustet. Typischerweise reagierte sie darauf, indem sie sich noch weiter in ihr Schneckenhaus zurückzog. Um nun ihr Vertrauen zu gewinnen, und das beabsichtigte er unter allen Umständen, würde er nicht nur ihre normale Vorsicht überwinden müssen, sondern auch ihre Schutzreaktion auf seine anfängliche Kühle und Feindseligkeit.
    Aber er wollte sie, und er wollte sie mehr, mit jedem Mal, das er sie ansah, mit jedem Atemzug, den sie nahm. Sie auch zu bekommen, war eine ganz andere Sache; das würde sein ganzes Geschick erfordern. Sie war jetzt scheu und nervös, was ihn betraf, und in Anbetracht des Beispiels, das ihr ihr Vater gegeben hatte, wahrscheinlich auch relativ mißtrauisch Männern gegenüber. Dennoch, es hatte nie eine Frau gegeben, die er wollte und nicht bekommen hätte, und er hatte nicht die Absicht, Miss Whitlaw die Ausnahme werden zu lassen.
    Marc besaß zwei große Vorteile, wenn es um Frauen ging. Erstens respektierte er ihre Andersartigkeit, und immer wenn er sich mit einer Frau einließ, versuchte er zunächst ihre Bedürfnisse herauszufinden. Natürlich unterschieden sich diese von Frau zu Frau, aber meist wünschten sie sich die Art von Aufmerksamkeit und Fürsorge, die verriet, daß sie wichtig für ihn waren. Wenn Marc mit einer Frau zusammen war, dann gehörte er ganz ihr; so einfach war das. Er erwies ihr seinen Respekt, indem er absolut treu war, solange ihre Affäre andauerte, er lernte ihre Stimmungen und Launen zu lesen und überschüttete sie mit Aufmerksamkeiten - kurz gesagt, er bemutterte sie. Das liebte er, er liebte es, eine Frau vor Glück strahlen zu sehen.
    Wenn man bedachte, wie Karen aufgewachsen war, dann brauchte sie wahrscheinlich dringend ein wenig Bemutterung. Sie war ihr Leben lang ein tapferer kleiner Soldat gewesen und verdiente nun zur Abwechslung mal ein wenig
    Entspannung und Fürsorge. Und er war genau der Richtige für diese Aufgabe.
    Sein zweiter großer Vorteil lag darin, daß er sich durch nichts von einem einmal gewählten Ziel abbringen ließ.
    In diesem Fall war rasches Handeln erforderlich, da sie nicht lange hierbleiben würde, vielleicht nicht mehr als ein paar Tage. Ihm blieb keine Zeit für eine ausgedehnte Verführung, für Dinners und Tanzen, und das über mehrere Wochen hinweg. Sie mußte zu ihrem Job und ihrem Zuhause zurückkehren, und wenn er die Angelegenheit nicht vor ihrer Abreise regelte, hatte sie keinen Grund, die Beziehung weiterzuführen.
    Er hegte keinen Zweifel daran, daß es zu einer Beziehung kommen würde. Er war sich absolut sicher, sicherer, als es je der Fall gewesen war. Der Schock, der ihn nur Augenblicke zuvor durchfahren hatte, war ihm bis ins Mark gegangen. Und auf einmal empfand er ein Unbehagen, wie er es nie zuvor empfunden hatte, nie zuvor war es ihm so dringend, so lebenswichtig erschienen, eine Frau zu bekommen.
    Er wußte nicht, wie es funktionieren sollte, da sie doch in Ohio lebte und er hier in Louisiana, aber das konnten sie alles später klären. Das wichtigste im Moment war, sich das Anrecht auf sie zu erwerben, und zu diesem Zweck mußte er ihr Vertrauen erringen.
    Und zwar jetzt sofort, dachte er und warf einen Blick von ihren Händen auf ihren beherrschten Gesichtsausdruck, dann auf den Fernsehschirm.