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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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herausrutschten. Das hatte sie wirklich nicht sagen wollen; sie hatte überhaupt nichts sagen wollen, weil es so herrlich war, einfach mit geschlossenen Augen dazusitzen und sich herumkutschieren zu lassen. Statt ihn anzusehen, starrte sie auf die vorbeiziehende Umgebung, wo Burger Kings in Bäume und Grasland übergingen, während sie immer weiter aus der Stadt herauskamen.
    »Nein, war ich auch nie«, entgegnete er in überraschend leichtem Ton. »Und Sie?«
    »Nein, ich - nein.« Sie wollte schon lang und breit erklären, daß sie dafür zuviel zu tun hatte, ließ die Antwort dann jedoch unkommentiert stehen. Sie hatte nicht zuviel zu tun, sie hatte einfach Angst.
    »Und verlobt?«
    Nun, eine neugierige Frage verdient eine Gegenfrage, dachte sie. »Nein.«
    »Ich schon, einmal, aber wir haben’s uns beide noch mal rechtzeitig überlegt.« Er warf ihr einen seltsamen Blick zu. »Cops haben die höchste Scheidungsrate im ganzen Land. Manche Frauen können’s einfach nicht ertragen, ihren Männern frühmorgens ein Abschiedsküßchen zu geben, ohne zu wissen, ob’s nicht vielleicht ein Abschied für immer ist.«
    Karen schnalzte amüsiert mit der Zunge. »Wie oberflächlich«, lautete ihr Urteil. »Wie kann man sich nur über eine solche Kleinigkeit aufregen.«
    Ein rasches Grinsen huschte über sein Gesicht. Er besaß das, was sie als den typischen Polizistenblick bezeichnete, sowohl distanziert als auch zynisch. Sein militärisch kurzer Haarschnitt ließ ihn noch härter aussehen, so daß dieses Lächeln sein Gesicht erhellte wie ein Blitz einen düsteren Himmel.
    »Sie könnten ja eine Polizeibeamtin heiraten«, schlug sie vor.
    Er grunzte, während er den linken Blinker setzte und abbremste, weil sie sich einer Kreuzung näherten, von wo er auf eine Landstraße abbog. »Sicher. Und Sie würden einen Arzt oder Pfleger heiraten, stimmt’s?«
    Sie verzog das Gesicht. Es gab Leute, deren Ehepartner denselben Beruf hatten und bei denen es funktionierte, aber Karen wollte nach der Arbeit nichts mehr vom Krankenhaus wissen. Sie liebte ihren Job und ging geradezu in ihrer Arbeit auf, aber mit nach Hause nehmen wollte sie sie nicht.
    »Was für eine Krankenschwester sind Sie überhaupt?«
    Sie gab ihm Pluspunkte dafür, daß er überhaupt wußte, daß es verschiedene Krankenschwestern gab. »Ich arbeite auf einer chirurgischen Station, aber ich denke daran, wieder die Schulbank zu drücken und mich zur OP-Fachschwester ausbilden zu lassen.« Jetzt, wo sie es laut sagte, schien sich ihr Entschluß zu festigen, und sie wußte auf einmal, daß sie es tun würde.
    Er zog erstaunt eine Braue hoch. »Ist das nicht so, als würde man einen Schreibtischjob für den Fronteinsatz aufgeben?«
    »Nun, Sie stehen ja selbst im Schützengraben«, verwies sie ihn. »Und außerdem möchte ich dazulernen, mehr tun.« Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, und ihr gewöhnlich so ernstes Gesicht leuchtete vor Erregung. »Ich will die neuesten Operationsmethoden, die neuesten Medikamente und Behandlungsmethoden lernen. Ich will nicht nur Verbände auswechseln, ich will ganz vorne sein, will meine Hand auf die Wunde legen, um die Blutung zu stoppen.« Sie wußte nicht, warum sie ihm, einem Wildfremden, das alles erzählte, aber er besaß etwas, das einem das Reden leichtmachte. Was schon komisch war, denn sie waren ja nicht von Anfang an die besten Freunde gewesen. Vielleicht lag’s ja daran, daß er ehrlich interessiert zu sein schien, oder vielleicht war sie auch nur froh, nicht mehr an Dexter denken zu müssen. Vielleicht war sie ja total am Ende oder segelte auf einem Zucker-Hoch, nach all den Colas, die er in sie hineingeschüttet hatte.
    Er lenkte den Wagen auf einen kleinen Parkplatz vor einer Kapelle, die verlassen in der nachmittäglichen Hitze vor sich hinbrütete. Neben der kleinen Kirche lag unter riesigen, wunderschönen, alten Eichen ein ordentlicher, gut gepflegter, kleiner Friedhof. Karen warf einen Blick auf die Gräber und merkte, wie sich ihr wieder der Magen zusammenzog. Für ein paar Minuten hatte sie das alles vergessen, doch damit war es nun vorbei. Sie straffte die Schultern und stieg aus dem Auto.
    »Es wird gleich jemand hier sein«, sagte Chastain, setzte sich eine Sonnenbrille auf und schritt neben ihr auf den Friedhof zu. »Wenn Ihnen die Grabstellen gefallen, können Sie den Papierkram noch heute nachmittag erledigen.«
    Sie sog die dicke, schwere Luft in sich ein, als würde sie nicht genug Sauerstoff

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