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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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enthalten. Schon jetzt triefte sie vor Schweiß und dachte sehnsüchtig an eine kalte Cola, Zucker hin oder her. Hühnchen kocht man bei niedrigeren Temperaturen, dachte sie zynisch. Sie selbst war schon halb durch.
    Wieder spürte sie Chastains Hand fast brennend heiß an ihrem Rücken. Das alles ist einfach nicht wahr, dachte sie und starrte auf die mit Moos und herunterhängenden Lianen bewachsenen alten Südstaateneichen. Eine nicht existierende Brise wiegte die wie Fäden herunterhängenden Schlingen. Erst heute morgen hatte sie sich in ihrem kühlen, dunklen Schlafzimmer zur Ruhe gelegt. Und jetzt stand sie in der brütenden Sonne von New Orleans und suchte eine Grabstelle für ihren Vater, den sie jahrelang nicht gesehen hatte, bis ihr ein Pathologe ein Video von ihm vorführte, wie er tot auf einem Autopsietisch lag, und sie wurde nun von Rambo bemuttert, der aus ihr schleierhaften Gründen äußerst hilfsbereit war.
    Nein, das alles war nicht real. Es war ein Alptraum, aber auch Alpträume gehen irgendwann zu Ende.
    Langley, Virginia
    Franklin Vinay, der stellvertretende Direktor des CIA oder DDO - Deputy Director of Operations wie er hier genannt wurde, saß wie immer noch lange nach Büroschluß am Schreibtisch. Er arbeitete gerne um diese Zeit, wenn seine Leute fast alle nach Hause gegangen waren, das Telefon nur noch selten klingelte und nicht dauernd jemand nach ihm rief. Dann hatte er Zeit, sich durch den enormen Aktenstapel zu arbeiten, der sich jeden Tag auf seinem Schreibtisch ansammelte, und zu versuchen, den Feinden des Landes - wer immer das zur Zeit sein mochte - einen Schritt voraus zu bleiben.
    Es war noch einfacher gewesen in der Zeit des Kalten Krieges; da waren die Fronten zumindest klar, man wußte, wer der Feind war. Er befürchtete jedoch, daß die zerfallene ehemalige Sowjetunion jetzt viel gefährlicher war als früher, ohne erfahrene Hände an den vielen Steuerknüppeln. China verursachte ihm Magengeschwüre, die derzeitige Regierung dort schien mehr an Profiten interessiert zu sein als an der Sicherheit des Landes. Heutzutage konnte jeder Arsch mit halbwegs Grips im Hirn rauskriegen, wie man eine Bombe bastelte, Amerikas sogenannte Verbündete verkauften fröhlich Waffen und Technologie an jeden, der das nötige Kleingeld dafür aufbrachte, und die militärische Kapazität des Landes befand sich auf einem nie dagewesenen Tiefstand. Eine Mischung, die zwangsläufig ins Desaster führen mußte, und daher saß er um diese späte Zeit noch am Schreibtisch: Damit dieser Eintopf nicht überkochte.
    Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach seine Gedanken, und er schloß seufzend eine Akte, die er gerade studiert hatte. »Herein.«
    Er erwartete einen der jüngeren, ehrgeizigen Beamten, der ebenfalls Überstunden machte, doch statt dessen tauchte ein vertrautes, nicht eben attraktives Gesicht im Türspalt auf. »Dacht’ ich’s mir doch, daß du noch hier bist«, sagte Jess McPherson, schob sich ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich. »Ich hab schlechte Neuigkeiten.«
    Jess und der DDO waren alte Kollegen, und es gab keine Formalitäten mehr zwischen ihnen. Diesen Blick von Jess kannte er, und sein Magen krampfte sich unwillkürlich zusammen. »Was ist los?«
    »Rick Medina ist tot. Man fand seine Leiche in Mississippi.« McPherson faltete seinen langen Körper auf einen Stuhl.
    »Ach, Scheiße.« Aus Vinays Stimme klang tiefe Traurigkeit. Rick Medina war in CIA-Kreisen eine Legende, doch für Vinay war er vor allem auch ein persönlicher Freund gewesen. Es gab nicht mehr viele aus der alten Gruppe; alles drehte sich heutzutage nur noch um Technologie, wobei man vollkommen vergaß, daß die besten Satelliten und Computer den wichtigsten Aktivposten nie ersetzen konnten, und das war ein guter Mann vor Ort. Humane Intelligenz, HUMINT, wie sie es nannten, stand im Zentrum jeder guten Entscheidung, die Vinay getroffen hatte. »Was ist passiert? War’s ein Job?«
    Er hoffte inbrünstig, daß das nicht der Fall war. Rick hatte nie fest für den CIA gearbeitet; er war immer Vertragsagent gewesen, was bedeutete, daß er seine Dienste auch anderen Kunden, also anderen Ländern, zur Verfügung stellte. Bei Rick hatte Vinay jedoch nie Bedenken deswegen gehabt. Er wußte, daß diese Jobs nicht mit den Interessen seines Landes in Konflikt standen. Andere Agenten waren weniger pingelig, aber Rick Medina war schlicht und einfach ein Patriot. Doch da gab es noch andere Dinge zu bedenken.
    »Wenn,

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