Vor Jahr und Tag
bei der Arbeit.
Sie hatte erst aufgeatmet, als das Flugzeug zur Piste rollte. Nicht, daß sie befürchtet hätte, er würde versuchen, sich mit seinem Polizeiausweis Zugang zum Flugzeug zu verschaffen, schließlich war sie keine Kriminelle, nur eine Frau, mit der er letzte Nacht geschlafen hatte.
Es war jedoch nicht das Schlafen, das ihr Sorgen machte, sondern das, was sie getan hatten, wenn sie nicht schliefen.
Sie war weder prüde noch frigide oder gar naiv, aber so etwas wie letzte Nacht war ihr noch nie im Leben passiert. Sie hielt sich selbst für einen vorsichtigen, verantwortungsbewußten Menschen, zwei Qualitäten, die wahlloses Herumschlafen ausschlossen. Piper fand, sie wäre schrecklich wählerisch und paranoid, was zwar weniger schmeichelhaft war, im Grunde jedoch dasselbe bedeutete. Sie war noch nie, wirklich noch nie, derart unvorsichtig und gedankenlos gewesen wie letzte Nacht. Was immer Marc von ihr wollte, sie hatte ihn gewähren lassen. Gewähren lassen? Aktiv mitgemacht hatte sie, war öfter gekommen, als sie sich erinnern konnte. Wie eine läufige Hündin hatte sie sich aufgeführt, jawohl.
Blicklos starrte sie auf den Bildschirm, wo gerade vorgeführt wurde, wie man seine Wohnung durch Betupfen der Wände mit einer in Farbe getauchten zerknüllten Plastiktüte verschönern konnte. Herrgott, wie hatte sie nur so blöd sein können? Wenn sie vielleicht mehr handfeste Erfahrung gehabt hätte, sozusagen, dann hätte sie ihn ja vielleicht kommen sehen.
Sie zuckte zusammen, als sie sich der Zweideutigkeit
ihrer Gedanken bewußt wurde, und die Röte stieg ihr heiß in die Wangen. Die traurige Wahrheit war, sie hatte es ihm geradezu lächerlich einfach gemacht. Erniedrigend einfach. Sie hatte sich schlichtweg verführen lassen, und das von einem Meister seines Fachs. Nicht einen einzigen Fehler hatte er gemacht.
Die aufreizend gutgelaunte Dame auf dem Bildschirm war soeben dabei, ihre Zimmerwand in ein Designerkunstwerk zu verwandeln. Karen runzelte böse die Stirn und knipste den Fernseher aus. Sie war sich ziemlich sicher, daß sie ihre Wände nie mit einer zerknüllten Plastiktüte ver(un)zieren würde. Und wie sollte sie sich überhaupt aufs Wohnung-Verschönern konzentrieren, da sie doch so viel zu brüten hatte?
Es gab nichts, aber auch gar nichts, das sie sich hätte sagen können, um ein wenig von ihrem Stolz zu retten. Sie war mehr als willig gewesen, und sie war ehrlich genug, sich diesbezüglich nichts vorzumachen. Andererseits ließ sich nicht bestreiten, wie geschickt er gewesen war. Der Grad ihrer Bereitwilligkeit war Beweis genug.
Sie lehnte den Kopf an die Sofalehne und starrte zur weißen Zimmerdecke hinauf. Die Zimmerdecken in Marcs Wohnung waren hoch und hatten kunstvolle Stuckverzierungen, nicht zu vergessen natürlich die wundervollen Deckenventilatoren überall.
Sie schlug mit der Faust aufs Sofakissen. Verdammt, sie wollte nicht dauernd an ihn denken!
Aber wie konnte sie nicht, da ihr immer noch alles weh tat? Wenn eine ihrer Freundinnen im Krankenhaus damit geprahlt hätte, es so oft in einer Nacht gemacht zu haben - mit ein und demselben Mann -, dann hätte ihr Karen nie im Leben geglaubt. Tja, nun wußte sie, daß es tatsächlich Männer gab, die ihn so oft hochbekamen. So wund und ge-
schwollen, wie sie zwischen den Schenkeln war, gab es keinen Zweifel.
Rückblickend konnte sie sehen, daß er sie direkt und ohne Zögern oder Unterbrechung in sein Bett bugsiert hatte. Aber rückblickend war man ja immer schlauer; bloß nutzte einem das nichts. Sie hatte jedenfalls nicht das geringste Warnsignal wahrgenommen. Rasch und sehr subtil hatte er eine Art Intimität zwischen ihnen aufgebaut und dann Kapital daraus geschlagen. Der Mann kannte sich aus, kein Zweifel.
Der gestrige Tag war eine einzige lange Lektion in Sachen Verführung gewesen. Ja, die gesamte Zeit ihrer Bekanntschaft mit ihm war eine solche Lektion. Sie kannte die sexuellen Warnsignale, sie war kein Neuling, doch bei ihm waren sie ihr glatt durchs Radar gegangen; erst jetzt, im Rückblick, erschienen sie ihr kristallklar.
Zuerst war da seine Besorgnis um sie gewesen, die Fürsorglichkeit, mit der er sich um ihr Wohlergehen mühte, die Berührungen, als Gesten der Höflichkeit und Zuvorkommenheit getarnt. Sie mußte daran denken, wie er sie immer am Arm gefaßt hatte, wie seine Hand über ihren Rücken glitt, wie sie sich um ihre Taille legte. Er hatte sich ihr Vertrauen erschlichen, sie dazu gebracht,
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