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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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aufnahmebereit. »Ich seh dich dann später«, sagte er zu der Frau und berührte kurz ihren Arm, bevor er sie stehenließ. »Was gibt’s?« erkundigte er sich, während er sich neben Marc aufbaute und seinen Hals lang machte, um einen Blick auf das Papier in seiner Hand werfen zu können.
    Marc reichte es ihm. »Ich muß am Gable-Fall weiterarbeiten.«
    »Ach ja, der kleine Junge. Sein Vater, dieser Hurensohn, hat ihn umgebracht, stimmt’s?«
    »Yep, aber ich muß alles ganz genau nach Vorschrift machen, oder er schlüpft mir durch die Lappen. Hast du Zeit, was für mich zu überprüfen?«
    »Sicher.« Shannon las sich den Bericht durch. »Hast du was über diesen Rick Medina?«
    »Nö, ist bloß so ein Gefühl. Schau mal, ob eine Verbindung zwischen Dexter Whitlaw und Rick Medina besteht. Sie sind ungefähr im selben Alter; vielleicht waren sie ja zusammen bei der Army. Falls sie sich kannten, ist es schon verdammt komisch, daß beide mit ’ner 22er und ungefähr zur selben Zeit erschossen wurden.«
    »Vielleicht ein bißchen weit hergeholt«, war Shannons Kommentar.
    »Weiß ich«, pflichtete ihm Marc bei. »Versuch einfach rauszukriegen, ob Medina gedient hat, vielleicht sogar zur selben Zeit wie Whitlaw. Wer weiß, vielleicht kommt was dabei raus.«

12
    Der Patient auf 11-A hatte einen Autounfall und mehrere Operationen überstanden und dabei eine Niere und einen Gutteil seines Übermuts eingebüßt. Sein Chirurg hielt ihn für soweit in Ordnung, um ihn vom OP auf die chirurgische Station verlegen zu lassen. Der Patient war wach, sein Zustand stabil, und er konnte bereits leichte, feste Nahrung zu sich nehmen. Seine verbliebene Niere produzierte genügend Urin. Das einzig Beunruhigende war, daß seine Temperatur langsam, aber stetig stieg und er das Abendessen abgelehnt hatte.
    Der diensthabende Arzt war wieder einmal nirgendwo aufzutreiben und reagierte auch nicht auf seinen Pieper. Karen ließ den Arzt, der Mr. Gibbons operiert hatte, benachrichtigen und behielt den Patienten derweil im Auge. Falls er sich eine postoperative Infektion eingefangen hatte, mußte man so früh wie möglich versuchen, sie in den Griff zu kriegen. Ihre Sorge um Mr. Gibbons hielt sie vom Grübeln ab. Es war schön, wieder auf der Station zu sein, in der vertrauten Welt der langen Gänge, der Klinikgerüche und der piepsenden Monitore. Sie hatte ihr Namensschildchen auf das Revers ihrer kurzärmeligen Schwesternuniform geheftet, und die Taschen waren voll mit allem möglichen nützlichen oder unnützen Zeug. Um ihren Hals hing ein Stethoskop, und die Gummisohlen ihrer Schuhe quietschten leise auf dem blitzenden Fliesenfußboden. Vertraute Welt. Gut.
    Wider allen Erwartens hatte sie es geschafft, vor Dienstantritt ein paar Stunden zu schlafen. Sie wußte nicht, ob sie sich freuen oder traurig sein sollte, weil Marc nicht angerufen und sie geweckt hatte. Anscheinend beabsichtigte er, die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen, was, wenn sie es sich recht überlegte, auch das vernünftigste war. Sie hatten miteinander geschlafen, sie hatte sich wie eine Idiotin benommen, aber es war vorbei. Er lebte in Louisiana. Sie war wieder zu Hause in Ohio, wo sie auch hingehörte. Vielleicht würde sie irgendwann einmal, in einem wehmütigen Augenblick, Piper von ihrer heißen Nacht mit einem Detective aus New Orleans erzählen. Piper wäre sicher von Herzen erleichtert; ihrer Meinung nach war Karens Liebesleben eine Katastrophe.
    Mr. Gibbons’ Chirurg rief schließlich an, gerade als Karen Pause machen wollte. Wie erwartet, war er ziemlich ungehalten. In den Augen der Schwestern waren alle Chirurgen Unmenschen, und Dr. Pierini machte da keine Ausnahme. »Mr. Gibbons’ Temperatur beträgt mittlerweile achtunddreißig zwei«, sagte sie. »Um Mitternacht war sie noch auf siebenunddreißig sechs.«
    »Mist.« Er gähnte. »Also gut. Ich möcht ’ne Kultur haben, um zu sehen, was los ist. Sagen Sie denen im Labor, ich brauch den Befund morgen früh zur Visite.« Er ratterte noch weitere Anweisungen herunter. »Wo zum Teufel ist Dailey?« fragte er dann.
    »Dr. Dailey reagiert nicht auf seinen Pieper.«
    »Dann suchen Sie ihn gefälligst, verdammt noch mal, statt mich anzurufen.«
    Er knallte den Hörer auf, aber Karen zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte erreicht, was sie wollte, und war durchaus zur Nachsicht bereit. Wer war schon fröhlich, wenn man ihn um drei Uhr morgens aus dem Schlaf riß? Sie wäre mehr als glücklich gewesen, wenn

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