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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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sie Dr. Dailey hätte auftreiben können. Dieses Wunder war jedoch noch keiner Schwester geglückt.
    Noch glücklicher wäre sie allerdings, wenn jemand Dr. Dailey einen Draht in den Allerwertesten schieben würde, so daß sie nur noch auf ein Knöpfchen drücken mußte, wenn sie ihn brauchte. Alles, was dann noch zu tun war, war, seinem Gejaule zu folgen, und schon hätte man ihn gefunden.
    Das Schwesternzimmer war in einem chronischen Zustand der Unordnung. Überall lagen Zeitungen und Zeitschriften herum, und der Kühlschrank beherbergte neue Lebensformen, die keiner wagte, näher in Augenschein zu nehmen. Vier Klappstühle standen in einem Halbkreis um den kleinen runden Tisch, der wiederum vor einem durchgesessenen alten Sofa mit einem abscheulich orangenen Plastiküberzug stand. Komplettiert wurde die Einrichtung durch einen riesigen alten Fernseher, der an die Wand gedübelt worden war. Leider war schon vor einiger Zeit das Bild ausgefallen, so daß die Schwestern mit viel Freude anhand der verschiedenen Geräusche, Special Effects und Dialoge erraten mußten, was eigentlich vorging.
    Karen holte sich eine Cola Light aus dem Getränkeautomaten und ließ sich erschöpft auf Big Val, Abkürzung für Valencia, wie das alte, orange Sofa herzlos genannt wurde, plumpsen. Mit einem Seufzer der Erleichterung streckte sie ihre Füße und dehnte ihre müden Achillessehnen, sie wünschte, eine Schüssel kaltes Wasser zu haben, um sie ein wenig darin zu kühlen. Sie hätte am liebsten die Schuhe ausgezogen, ließ es aber aus bitterer Erfahrung; ihre Füße würden bloß anschwellen, und sie käme kaum mehr in die Schuhe rein, und dann würden sie den ganzen Rest ihrer Schicht lang drücken.
    Die Zeitungen der letzten Tage lagen verstreut auf dem Fußboden herum. Karen beugte sich vor und raffte ein paar davon zusammen. Mal sehen, ob während ihrer Abwesenheit irgend etwas Aufregendes passiert war. Sie hatte nicht viel Hoffnung, aber vielleicht war »Dilbert« ja doch noch nicht aus der Comic-Seite rausgeschnitten worden. Irgendwie landeten die Cartoons immer wieder auf den Schwarzen Brettern der Stationen, mit den Namen der Angestellten drübergekritzelt. Die Verwaltung fand das gar nicht komisch.
    Sie blätterte durch die Seiten, überflog Schlagzeilen und Bilduntertitel. Ein Bild erregte ihre Aufmerksamkeit, weil ihr irgend etwas an den verkohlten Überresten eines niedergebrannten Hauses bekannt vorkam. »Ein Feuer hat gestern früh das Heim von Nathan und Lindsey Hoerske zerstört.« Du liebe Güte, das war doch ihr Haus! Schockiert starrte sie die schwarze Ruine auf dem Foto an. Oder besser gesagt, es war ihr Haus gewesen. Sie hatte fünfzehn Jahre lang darin gelebt. Ach, die armen Hoerskes, gerade erst hatten sie geheiratet und waren so glücklich über ihr erstes eigenes Häuschen gewesen. So wie’s aussah, hatten sie alles verloren, was sie besaßen. In der Zeitung stand, das Feuer wäre in der Küche ausgebrochen.
    Fast so betroffen, als hätte sie einen guten alten Freund verloren, legte Karen die Zeitung beiseite. Bei Hausbränden ging es nie bloß um verlorenes Eigentum, es ging um die damit verbundenen Erinnerungen und Träume, um das Leben derjenigen, denen die schützenden Wände Zuflucht vor der Welt da draußen geboten hatten. Sie hatte Nathan und Lindsey gemocht. Obwohl sie sich entschlossen hatte, das Haus auf jeden Fall zu verkaufen, war sie froh gewesen, daß die beiden es gekauft hatten. Sie waren ihr so verliebt vorgekommen und gleichzeitig irgendwie gesetzt, als hätten sie ihre gemeinsame Nische im Leben gefunden und nichts könne sie dort herausreißen. Karen hatte sich vorgestellt, daß sie ein paar Kinder haben würden, daß überall in den Zimmern Spielsachen herumliegen würden und das Haus erfüllt wäre vom fröhlichen Kreischen spielender Kinder. Jetzt mußten sie wieder ganz von vorne anfangen, mußten sich einen anderen Ort suchen, den sie ein Zuhause nennen konnten.
    Piper kam um halb sieben Uhr auf die Station gesegelt. Sie stemmte die Fäuste in ihre nicht gerade schmalen Hüften, als sie Karen erblickte. »Warum hast du mich nicht angerufen?« trompetete sie böse.
    »Ich hatte keine Zeit mehr.« Impulsiv legte Karen die Tabelle beiseite, an der sie gerade gearbeitet hatte, und um-armte Piper gleichsam entschuldigend. »Ich konnte nur einen Flug bekommen, der in einer Stunde abging. Ich hab ein paar Sachen gepackt und Judy angerufen und bin dann losgerannt.«
    »Also gut, ich denke,

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