Vor Jahr und Tag
hörten, wie sich der Verdächtige Zugang zu Ihrer Wohnung verschaffte.«
»Nein, er war bereits drin. Ich hab ihn nicht reinkommen gehört. Ich hörte, wie er vor der Schlafzimmertür stehenblieb und hineinschaute.« Sie wußte, was sie gesagt hatte, und daß sie ihn reinkommen gehört hatte, hatte sie bestimmt nicht gesagt.
Er blickte wieder auf seinen Notizblock, sagte aber nichts. Vielleicht hatte er sie ja auf die Probe stellen wollen, um zu sehen, ob sie bei ihrer letzten Aussage bleiben würde.
»Aber er hat Sie nicht gesehen?«
»Nein. Er ist nicht ins Schlafzimmer reingekommen. Ich stand rechts, beim Fenster. Die Schlafzimmertür geht nach rechts innen auf, also hätte er mich nur sehen können, wenn er ganz reingekommen wäre.«
»Was hat er dann gemacht?«
»Danach war er nicht mehr so still. Da er mich nicht
gesehen hatte, muß er sich wohl gedacht haben, ich wäre nicht zu Hause. Er ging in die Küche und fing an, alles zu durchsuchen.«
»Durchsuchen?« Er sprang sofort auf das Wort an.
»So kam es mir vor. Er hat in die Schränke geschaut, denn ich konnte hören, wie er die Türchen aufmachte und Schubladen auf und zu schob. Er hat sogar in den Kühlschrank geschaut.«
»Wozu ?«
Sie hob hilflos die Hände. »Ich hab keine Ahnung.«
»Okay, was hat er dann gemacht?«
»Er hat die Küchenstühle umgedreht und darunter geschaut.« Ihrer Stimme war die Verwirrung deutlich anzuhören.
Er schrieb etwas auf seinen Notizblock. »Was haben Sie gemacht?«
»I-ich glaubte nicht, daß ich ungesehen aus der Wohnung kommen könnte; von dort, wo er stand, konnte er die Haustür gut sehen. Ich hab mich zum Telefon, das auf dem Nachtkästchen stand, geschlichen und den Hörer unter ein Kissen gesteckt, damit man das Freizeichen nicht hört. Dann hab ich die Notrufnummer gewählt.«
»Das war sehr gut«, sagte er. »Die beiden Polizisten waren nur einen Block vom Tatort entfernt. Sie wußten zwar nicht, um welches Apartment es sich handelte, aber die Straßenadresse genügte, um sie zumindest in die Nähe zu bringen.«
»Das Apartment war nicht schwer zu finden«, sagte sie tonlos und starrte vor sich auf den Boden. »Es war das, in dem die Schüsse fielen.«
Er räusperte sich. »Äh - ja. Was passierte danach?«
»Ich hab versucht, ins Bad zu gelangen, weil ich da mein Haarspray aufbewahre.«
Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. Für einen Moment war er ein Mann, kein Polizist. »Das war ganz schön clever. Das Zeug brennt wie die Hölle, wenn man’s in die Augen kriegt.«
»Ich weiß. Es war alles, was ich hatte.« Sie schluckte und versuchte, nicht daran zu denken, wie schrecklich es gewesen war, einem bewaffneten Einbrecher mit nur einer Dose Haarspray entgegentreten zu müssen. »Die Badezimmertür quietschte ein bißchen, das hat er gehört. Das -« Sie holte tief Luft. »Das vermutete ich, weil es in der Küche plötzlich still wurde. Ich hab dann einfach dagestanden mit dem Haarspray in der Hand, die Tür beobachtet und auf ihn gewartet. Er hat sie plötzlich aufgestoßen, und ich hab ihm ins Gesicht gesprüht. Er hatte eine Pistole in der Hand«, endete sie und schwieg dann.
»Kannten Sie ihn?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Vielleicht schon mal gesehen?«
»Nein.«
»Also, was passierte dann?«
»Ich hab ihn zurückgestoßen, aber er erwischte mich am Nachthemd, und wir fielen beide aufs Bett. Ich hab ihn wieder angesprüht, und er hat mir einen Schlag versetzt.« Unbewußt fuhr ihre Hand an ihren Wangenknochen. »Ich hab ihn mit der Haarspraydose auf die Nase geschlagen. Ich weiß noch, daß ich ihn mit beiden Füßen getreten hab. Dann hab ich mich vom Bett gerollt und bin, so schnell ich konnte, zur Tür gekrochen, und da hat er angefangen zu schießen.« Sie schwieg und dachte daran, wie schnell alles gegangen war, an ihre Angst, seine Wut.
Detective Suter fragte nicht weiter, drängte sie nicht, aber sie fühlte, daß er auf den Rest ihrer Geschichte wartete, auf das, was geschah, als die Polizeibeamten auftauchten. Sie rieb sich die Stirn und versuchte, sich zu erinnern, wie alles genau abgelaufen war. »Ich hab’s geschafft, aus der Wohnung zu kommen, die Polizisten kamen gerade die Treppe hinauf. Ich bin fast in sie hineingerannt. Der Mann kam aus der Wohnung, zielte mit der Waffe auf mich, und die Polizisten haben geschossen. Er fiel nicht um. Er - er lachte und schoß wieder auf mich, und auch die Polizisten schossen.«
»Wurde irgendwas
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